Minute, denn Scham und Zorn waren zu mächtig im stolzen Gemüte der Dirne die es den Schlierachern nie und nimmer vergeben konnte, daß ihr, der Buch¬ bauerntochter, eine solche Schmach an¬ getan worden war. Allerdings war die ihr zugefügte Beleidigung sehr groß. Zu wohl wußte sie, daß die ganze Umgegend schon morgen von der Tatsache unter¬ richtet wäre, daß ihr, der hochfahrenden Liesel, Haberfeld getrieben worden sei. Dadurch nun war sie geradezu gebrand¬ markt und dem vollen Gespötte der Land¬ bewohner in der ganzen Umgegend preis¬ gegeben worden. Künftig mußte sie ge¬ wärtigen, wenn sie nur einen Schritt zum Haus hinaus mache, selbst von den Kindern verhöhnt zu werden. Ja, ihr Ansehen als Großbauerntochter war durch dieses Begebnis, durch dieses 61 Volksgericht, auf einmal vernichtet wor¬ den, denn kein Mensch würde sie fortan weder achten, noch durfte ferner ein or¬ dentliches Mädchen mit ihr weiter ver¬ kehren, wollte dieses nicht ebenfalls ihren guten Ruf gefährden und schließlich auch noch die Rache der im Dunklen tätigen „Haberer“ auf sich laden. Liesel galt als verfehmt. Während dieser qualvollen Nacht ward sie auch unausgesetzt von der Frage gepeinigt, wer ihr wohl diese Schmach angetan habe. Dieser Gedanke gönnte ihr keine Minute Ruhe und an Schlaf war für sie gar nicht zu denken. Von den vielen Mannen, die vor dem Hofe ihres Bruders das Ruggericht Kaiser Karl des Großen abgehalten, vermochte sie keinen zu erkennen. Jeder hatte sein Gesicht ge¬ schwärzt oder doch unkenntlich gemacht,
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