Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

56 sinnen noch obendrein beneidet glaubte. — Bereits war Liesels Abreisetag nach München festgesetzt und alle nötigen Vorkehrungen hiezu auf dem Bucherhos getroffen. Ruhig war der letzte Abend angebrochen;. .. ob er auch still verging? Der treue Anderl, der jede Hoffnung auf Zuneigung und Besitz seiner Jugend¬ gefährtin Liesel hatte aufgeben müssen bemerkte tagsüber allerlei unheimliche Zeichen und teilte sofort seine Beobach¬ tungen der Buchhofbäuerin mit. Wäh¬ renddem saß Würger mit seiner Ver¬ lobten und dem Bucherbauern, ahnungs¬ los der kommenden Dinge, unten in der großen Stube. Gerade jetzt rief Annei, eine kleine Tochter, den Vater zur Mut¬ ter in die Küche. Sofort ging er der Kleinen dahin nach und fragte ziemlich barsch: „Wo fehlt's denn?“ Sein braves Weib lehnte an einem Fenster und blickte ängstlich in die finstere Winternacht hinaus. Neben ihr stand Anderl, der sehr ernst vor sich hin¬ schaute. Zeitweilig fachte er die Herd¬ flamme an, daß sie frisch auflohte und die Funken sprühten. „I fürcht' alleweil, Bauer, rief der wackere Bursche seinem Dienstherrn zu, als dieser mit der Annei zu ihm trat „heut' gibt's no eppes! Weilst just derweil hast, aften moin' i, wir gangen selband durchs Haus und schau'n ummand ob alle Tür'n und Lad'n a gut zu sand. Magst allweil a Dein Stutzen umtun, wannst ihn g'rad' bei der Hand hast! „Jetzt seh' ich erst, daß D' kasweiß bist, Anderl, und mein Dirndl da a! Was gibt's denn wieder für G’schichten?“ fragte ärgerlich der Bauer und setzte seine ihm ausgegangene Pfeife am Herdfeuer wieder in Brand. „Red', nochmals frag ich Dich, was soll's heut noch geb’n?... Red', Anderl? „G’wisses weiß i selber nöt, Bauer!“ entgegnete ernsthaft Anderl. „J moin aber alleweil, daß heut' noch was B'son¬ der's g’schiaht! Der sell Loder, wo nächst in der Nacht 's Haberfeldtreiben an¬ g'sagt hat, is nöt umsonst bei uns zu¬ kehrt! J bin selmals g'rad' drauß' bei die Roß' im Stall g’west und hab' etliche mit Ruß ang'schmierte G'sichter rund um den Hof schleichen seh'n. Mäuserlstad ein's dabei g’wesen, obwohl ihnen schiar zwoi Dutzend beinand g’wesen san! Eben jetzt wischte die Bäuerin mit der Hand über die angelaufenen Fenster¬ scheiben und spähte voll Angst in die Nacht hinaus. „Dort, dort, vom See her unter den Bäumen schleicht wieder a Haufen Mannsleut' daher!“ rief sie jetzt mit zitternder Stimme, ohne sich dabei umzusehen. „Etliche schleppen was, aber alle kummen nöt auf'n Hof 'rauf!“ Anderl sprang hurtig an ein anderes Fenster, um sich selber von dieser Tat¬ ache zu überzeugen, der Bucher aber eilte hastig, indem er die Türe zum Baumgarten aufriß, hinaus. Er ver¬ nahm aber gar nichts Verdächtiges, als das Brausen und Toben des Winter¬ sturmes, und nur hinten im Stall brummten die Kühe. So ging denn der Bauer wieder in die Küche und lachte schon unter der Schwelle, indem er sich den Schnee von seiner Lodenjoppe ab¬ schüttelte. „I hab' nix, gar nix g'seh'n! Aber vorsichtig sein, schadet nöt! Kumm mit, Anderl! Vier Augen seh'n mehr als zwei! Wir woll'n a bissel umanander¬ — Während dieser Aufforde¬ chau'n!“ rung zündete der Bauer etliche getrocknete Kienspähne als Leuchten an und eilte mit dem vertrauten Oberknecht, ohne das abwehrende Rufen seines guten Weibes zu beachten, wieder in die schauerliche Winternacht hinaus. Die Bucherin wollte — ihrem Manne nach, aber ihr Tochterlein Annei hielt sie am Rocke fest und bat sie Tränen in den treuherzigen blauen Augen, doch bei ihr in der Küche zu bleiben! „Mutterl, geh' mit mir in d’ Stub'n ummi!“ bettelte die erschrock'ne Kleine, „i trau' mir nimmer da in der Kuchel zu bleib'n! Es is so viel scheutsam da herauß'n!“ „Sei keine Lappin, Annei!“ entgegnete liebreich verweisend die Bäuerin, obwohl ihr selber in diesem Augenblick unheim¬

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