Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

her! Für den Anfang langt's, und was Du dann drüber brauchst, das leih' ich Dir, Toni, ich, Dein wahrer Freund!.. Du brauchst dann keinem Fremden mit Deiner Anfrag' um Geld zu kommen! Also, Deine Hand her, Toni! Denn mir ist es heiliger Ernst!“... * * * „ Nun begann fur den Bucherhof eine neue Zeit. Der frühere häusliche Friede, der darauf geherrscht, war dahin. Die Arbeitslust schwand dem Bauern ganz. Hatte seiner braven Frau schon früher der Umgang mit Würger durchaus nicht ge¬ fallen, dessen höchst üble Folgen sie so bitter empfand, so saß der Bauer nunmehr die halben Nächte mit dem Eisenbahnbau¬ unternehmer und mit dem Winkelagenten Klauber von Miesbach bei Wein und Kartenspiel. Früher hatte der Bucher die Karten gar nicht gekannt; jetzt war er wie besessen auf das Tarocken; er ver¬ lor immer, und zwar beträchtlich, und wenn er dann darüber zu Hause nach¬ sann, ärgerte ihn nicht nur sein Verlust gewaltig, sondern es überkam ihm auch stets große Scham wegen des Loder¬ lebens, das er nun führte. Damit auf¬ zuhören, fehlte ihm der ernste Entschluß und die Kraft, denn immer nahte sich ihm wieder der Bahnbauunternehmer als Verführer. Alles das machte den Bauern mürrisch und verdrossen. Diese Gemütsstimmung nahm immer mehr zu, als der Wirtshausbau wirklich begonnen hatte, den Würger ganz leitete, und bald die paar tausend Gulden daraufgegan¬ gen waren. Es mußte wegen weiterer Barmittel Rat geschafft werden. All der Aerger und Verdruß, den der Bauer nun fortwährend einschlucken mußte, machten ihn zum Trinker. Der Bahnbauunternehmer rückte nun seinem Endziel immer näher. Nachdem er jetzt den Bauern ganz in seinen Kral¬ len hatte, machte er sich an die Schwester desselben, die muntere, junge Liesel. Seitdem er mit der frischen Dirne auf einer ländlichen Hochzeit getanzt hatte und wenn er sie zeitweilig auf der Rom¬ 55 bergalm besuchte, wo sie Sommers über als Sennerin weilte, hatte er gemerkt, * daß ihm das Madel gut gesinnt sei. Auch der Liesel war der Hoffahrtssatan in den hübschen Kopf gefahren. Anderl, der wackere Bursche, den sie doch zuvor sehr gern gehabt und von dem auch das Bucher'sche Hofbauernehepaar am lieb¬ sten gesehen hätte, daß er die Liesel ein¬ mal heirate, ward fortan ganz verschmäht von der hochmütigen Dirne, da er nur ein Bauernknecht und deshalb viel zu gering war. Ja, ihr Zukünftiger mußte nun nur mehr ein Stadtherr sein. Der Bahnbauunternehmer hatte das Mäd¬ chen vollkommen zu gewinnen gewußt. Sie hatte ihm bereits Herz und Hand zugesagt, und Würger frohlockte. Wohl war die Buchhofbäuerin ganz gegen ihn, doch das beschwerte ihn nicht, war doch ihr Mann vollständig in seinen Händen, und der mußte, warb er um dessen □ Schwester, unweigerlich „Ja“ sagen. Die Rechnung des geriebenen Menschen stimmte vollkommen mit dem Erfolg überein; Liesel ward seine Braut. Die Mitgift derselben wurde auf 7000 fl. festgestellt, welche Summe hypothekarisch auf dem Bucherhof eingetragen und ichergestellt war. Die mußten ihr später vom jetzigen Besitzer, dem Bucher Anton als ihrem Bruder, ausbezahlt werden. Der Bräutigam — der Bahnbauunter¬ nehmer — zeigte zwei Schuldschein, vor, jeder auf 10.000 Gulden lautende die ihm der reiche Tiroler, der Holz¬ händler, ausgestellt hatte. Liesel sollte nun über den Winter zu ihrer Ausbil¬ dung in die Münchenerstadt, wie Herr Würger wichtig empfohlen hatte. Die war ganz stolz deshalb, konnte sie doch nun eine „Dame“, eine „Gnädige“ wer¬ den. Längst hatte das Tun und Treiben auf dem Bucherhof hohen Unwillen in der ganzen Nachbarschaft erregt. Nun kam noch Liesels Brautstand mit dem Eisenbahnbauunternehmer verrufenen dazu, sowie der Hochmut des Dirndls, die in ihrer dörfischen Einfalt sich von allen Kameradinnen und Altersgenos¬

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