Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

52 Dort nutzen sie Dir gar nichts, obwohl, versteht man es, Geld immer wieder am leichtesten Geld verdient! Wärest Du da¬ her wirklich der kluge Mann und speku¬ lative Kopf, für den ich Dich hielt und hättest die nötige Courage, so müßtest Du mit Deinem Bargeld bald das drei¬ ja vier= und fünffache erwerben! Dabe brauchst Du gar keine Hand zu rühren Toni! Nichts bedarf es, als ein biß Unternehmungsgeist! Doch Euch Bauern dahier im Gebirge fehlt der Mut, und leider bist Du mit ihnen aus gleichen ja Holz geschnitzt, obwohl ich Dir gerade Dir, trautest Du Dich, bei einer Spekulation behilflich sein könnte, die Dich sofort zum reichen Mann machen würde!“ Solche Gespräche regten die Habgierde im Herzen des Buchers erst recht an und ein brachten ihm immer mehr Lust bei Glück im Spekulieren zu probieren! Ge¬ Endlich rückte er zögernd mit den schon ständnis heraus: „Einmal möchte er liege eine Spekulationsprobe machen; es ihm nichts daran, etliche hundert Gulden ja sogar tausend zu dem Zwecke anzu¬ legen, nur wisse er nicht, wie er die Sache anfangen solle!“ „ Darauf hatte Wurger gepaßt, wie die Katze auf eine fette Maus! Er tat, als wenn er über etwas tief nachsinne und begann endlich mit wichtigem Ton also: „Eigens für Dich, Toni, hab’ ich einen Plan! Ich sollte ihn Dir gar nicht aus¬ deutschen, da ich ihn selber später ausbeuten will! Zur Zeit komme ich allerdings nicht dazu, weil ich noch hier mit dem leidigen Eisen¬ bahnbau vollauf zu tun habe! Da es aber leicht sein könnte, daß mir ein anderer zuvorkommen möchte, so will ich, daß Du den schönen Gewinn ein¬ sacken sollst, weil ein reicher Holzhändler drüben im Tirol mit dem gleichen Ge¬ danken umgeht! ... Drum mußt Du diesem zuvorkommen, umsomehr, da durch das, was ich Dir jetzt anvertrauen will, in kurzer Zeit reich wirst und dazu das angenehmste, sorgenfreieste Leben der Welt führen kannst!“ Dem mit gespannter Aufmerksamkeit zuhorchenden Bucher teilte nun Würger folgendes mit: „Daß jeden Sommer mehr Stadtleute nach Miesbach und haupt¬ sächlich zu Euch her nach Schliers am See kommen, siehst Du mit Deinen eigenen guten Augen! Sie möchten aber viel länger in der herrlichen Gegend bleiben, doch das geht nicht, weil es am See selber nur ein einziges, aber nur kleines gutes Logierhaus gibt, welches drüben auf der Halbinsel, dem Freuden¬ berg, die sogenannte Fischerlisel, die frühere Posthalterin von Schliers, Frau Ellgraßer, ausübt, und um anderen Platz zu machen, müssen aus etlichen alten Stammgästen aus der Münchenerstadt die Zugereisten viel früher fort, als sie es wünschen! Durch die Eisenbahn, die bald fertig gebaut ist, wird der Frem¬ denzuzug noch zahlreicher, und wer hart am Stationsgebäude dort, wo Dir noch der Grund und Boden gehört, ein Wirts¬ haus baut mit der schönen Aussicht auf See, Tal und Berge, der ist im Umsehen ein reicher Mann, da ihm die Gäste nur so zufliegen werden!“ Dieser Plan ging dem Bucher sofort ein! ... Beim Stationsgebäude ein — ja, das mußte sich gut Wirtshaus rentieren! Doch er, der Bauer, war ja kein Wirt und deshalb brachte er zaghaft den Einwand vor: „Ich versteh' aber ja gar nix davon und weiß gar nöt, wie i mit den Herrischen umgeh'n soll! „Was willst denn groß verstehn?“ lachte der Bahnbauunternehmer, „Du brauchst ja doch Deinen Gästen nicht selber aufzuwarten!. .. aber der richtige Mann bist Du dazu, ihnen Gesellschaft zu leisten, angenehm mit ihnen zu plau¬ dern, da Du der gescheiteste Bauer im Schlierachgau bist und vom Grund aus verstehst, wie man die Stadtleut' be¬ handeln muß! Der Bucher zeigte große Lust zu dem Unternehmen, scheute aber doch wieder von einer so großen Bauspekulation zu¬ rück. Er warf ein, daß er durchaus nicht so viel Bargeld habe, als Herr Würger von ihm glaube; einige tausend Gulden

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2