Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

44 Er war nicht imstande, sie überall hin zu begleiten, seine Kräfte ließen nach Er fühlte es, sagte aber nichts. Stets fleißig holte Burton aus seinem „Claim“ genug heraus, um für ihre be¬ scheidenen Bedürfnisse zu sorgen. Er wußte, daß er es nicht mehr lange treiben konnte, doch solange es ging, wollte er sich und seine Tochter ernähren, ohne den Schatz des Kindes anzurühren. Eines Tages konnte er nicht mehr auf¬ stehen. Maud verließ ihn den Tag über nicht mehr. Als der Abend gekommen war, besuchte ihn Morgan mit Palmer. Er empfing sie mit traurigem Lächeln und hörte schweigend ihre Versicherungen an, daß er am nächsten Morgen schon wieder auf dem Posten sein werde. „Ich glaube es nicht,“ versetzte er trübe. Dann schickte er das Kind fort, das er Palmer anvertraute, und fuhr fort: „Es geht zu Ende. Hört mich an, Mor¬ gan! Ich habe ausgedient und in kurzem werde ich bei meiner armen Frau sein. Ich habe nur sie ... Maud . . . und Euch geliebt ... Euch vertraue ich das Kind an; sie hat für Euch eine ganz besondere Vorliebe... Ihr werdet über sie wachen? □ „Ich schwöre es Euch!“ „Seht, wenn ich tot bin, kann Maud nicht hier bleiben... Ihr begreift mich? Ihr müßt sie irgendwo unterbringen ** Mein Gott, welche Sorgen ich Euch „* bereite! Doch ich verlasse mich auf Euch ... Arme Maud, was soll aus ihr werden?“ „Fürchtet nichts! Wenn es mit Euch zu Ende geht, mein alter Freund, so scheidet in Frieden ... und der Himmel soll mich strafen, wenn ich das Kind verlasse ... Bei diesen Worten trocknete Morgan mit dem Handrücken eine Träne, die seine Wange herabfloß. III. Mehr als zwölf Jahre sind seit dem Tode Burtons verflossen. Einige Wochen nach diesem Ereignis hatte Morgan Maud nach San Francisco gebracht; dort hatte er das Kind der Frau eines Lehrers übergeben, die, nachdem sie die Geschichte der Waise angehört, ge¬ neigt war, sie bei sich zu behalten, bis ich eine Gelegenheit bot, sie nach den Oststaaten zu schicken. Sie war selbst in der Erziehungs¬ anstalt einer Frau Orme erzogen worden und erzählte Morgan davon als einem Hause, wo Maud alle nötige Pflege und eine vorzügliche Erziehung erhalten würde. Aber, fügte sie hinzu, Frau Orme sei sehr streng in der Wahl ihrer Schülerinnen, nähme nur eine ganz be¬ schränkte Anzahl auf, und ihre Preise wären hoch. Darauf erwiderte Morgan, man würde bezahlen, was verlangt würde. Sein Ersuchen, Maud aufzu¬ nehmen, dann eine bedeutende Summe für die Kosten von Mauds Aufenthalt in San Francisco, sowie ein prompter Scheck auf die Ordre der Frau Orme hatten alle Schwierigkeiten besiegt, und zwei Monate später reiste Maud mit schwerem Herzen und guter „Eskorte nach New=York, wo sie Frau Orme ab¬ holte und nach „Ormes=Hall“ im Staate New=Jersey brachte. Dort wurde das Kind in tiefem Frieden zum jungen Mädchen, und das junge Mädchen hielt, was das Kind ver¬ sprach. Zu Anfang war der Uebergang schwer doch schon nach kurzer Zeit machte sie sich bei ihren Gefährtinnen beliebt; ihr war¬ mes, großmütiges Herz vergalt die Zu¬ ihr entgegenbrachte. neigung, die man Ihre Traurigkeit, ihre Trauerkleider ihre Vereinsamung, ihr schwermütiger und sanfter Blick gewannen ihr die Herzen. In dieser gesunden Land= und Arbeitsluft fühlte sie sich wie neugeboren; in ihrem Alter gibt es keinen unüber¬ windlichen Schmerz. Dann hatte Maud, wenn sie auch noch ein Kind war, instinktiv einen hohen Begriff von den Pflichten der Dankbar¬ keit. Das Unglück macht frühreif. Sie erinnerte sich, was sie in der Häuslich¬ keit der Tante gelitten hatte, der sie zur Last war, und ihrer Freude, als ihr Vater sie wieder zu sich genommen hatte.

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