Und, damit Du, lieber Vater, alles weißt schau', so will ich Dir was sagen, was bisher außer dem Lienhard und mir, nur unser lieber Herrgott weiß! ... Du selber hast mir erzählt, wie er zu seiner jetzigen verkrüppelten Gestalt gekommen ist! Nun so hör': das Kind, das ihn einst vom Heuboden herunterg'stoßen hat, ist nie¬ ich 7 mand anderer gewesen, als selber!“ ... Da richtete sich der Jochmüller hoch auf ... doch nur einen Augenblick sah er starr und ernst seine brave Tochter an; drauf schüttelte er ihr herzhaft die Hand, in welche sie laut weinend die ihre legte, worauf er gleich einspannen ließ. Anderen Tags trat er mit heiterm Ge¬ sicht vor Anna. Der Herr Pfarrer hatte seine Hauptbesorgnis wegen verkrüp¬ pelter Nachkommenschaft ganz gehoben; dann, nachdem er mit Lienhard gespro¬ chen, fand er dessen Benehmen gegen ihn ebenso ehrerbietig als richtig, so daß er der nunmehrige Brautvater, vollständig „ mit der Wahl seiner Tochter versohnt war. Nachmittags kam dann Lienhard selber in die Mühle. Er sprach lange ins¬ geheim mit Anna. Beide hatten Tränen in den Augen; als sie drauf vor den Vater hintraten, um seine Einwilligung zu ihrem Ehestand zu erbitten, die er sichtlich gerührt erteilte, bestand er nur darauf, daß die Hochzeit wegen dem Ge¬ rede der Leute gleich stattfinden sollte! Beim Abschied sagte Lienhard zu seiner Braut: „Nie soll's Dich reuen, liebe Anna! So wahr ich einst mit meinen seligen teuren Eltern in der Ewigkeit vereint werden will! ... Nie! ... nie!“ Bei ihrem Stuhlfest war die Teil¬ nahme der ganzen Bewohnerschaft der Seeufer und Umgegend eine ebenso große als freundliche. Anna wurde ob ihrer verständigen Wahl sehr gelobt und dem Lienhard sein Glück herzlich vergönnt; wollte aber das eine oder andere neidische Bürschchen sich eine mißgünstige Bemer¬ kung erlauben, wurde er von der allge¬ meinen Stimmung so tüchtig abge¬ trumpft, daß ihm sogleich alle Lust zu weiteren Spöttereien verging... 29 Der Rautersepp hatte sich gleich, nachdem er Annas Verspruch mit Lien¬ hard vernommen, weit hinaus ins bayeri¬ sche Unterland verdingt, und kehrte erst nach Jahren wieder heim, als der Tod eines Vaters ihn zum Herrn des schönen Hofes gemacht! ... Beim Hochzeitsmahl trat auch ein ur¬ alter Bauer vor Anna hin, schüttelte ihr kräftig die Hand und sagte: „Junge Müllerin! Du hast Dir einen g'scheiten Mann ausgesucht, weil Du selber alle¬ weil ein ebensolches Dirndl warst! ... Da Du Dein Herz auf dem rechten Fleck hast, drum wird es Dir bis zu Deinem seligen Ende auch immer gut gehen! ... Denk' an den achtzigjährigen „Kreiter¬ (Kreit, ein vielhundert¬ bauern“! — jähriger Bauernhof, auf einer Anhöhe bei Schlehdorf idyllisch gelegen, immer in der gleichen Familie fortvererbt.) Und das Wort des greisen Propheter ging in Erfüllung! ... Weit und breit im ganzen Gau wurde die Jochmühle am Kochelsee berühmt wegen des herzlichen Verständnisses, der Eintracht und dem Segen Gottes, die dort ersichtlich wal¬ * teten! ... Am glucklichsten und frohesten darüber war der alte Müller! ... Wenn ihm schon die freudige Zustimmung der ganzen Bevölkerung sehr geschmeichelt, so machte ihn sein nunmehriges Zusammen¬ leben mit Lienhard erst ganz zufrieden. Wegen seiner Gutmütigkeit und stets gleichen Freundlichkeit ward er ihm täg¬ lich immer lieber und er hatte eine wahre Hochachtung vor seinem braven Schwie¬ gersohn bekommen! ... Mit Stolz sagte er zu den Nachbarn: „Ja, mein Schwiegersohn, der ist ein Mann! ... Den kann ich überallhin brauchen! ... Von allem kann er das Richtige — und was ich gar nicht für mög¬ lich gehalten hab’, er versteht die Mühle und Wirtschaft, als wenn er bei mir auf¬ gewachsen wär'!... Was er nicht selber alles tun kann, das schafft er so an, daß Hand und Fuß hat! ... Die Abende bereiteten dem alten Mann das größte Vergnügen! Man versammelte sich nach geschehenem Tagwerk friedlich
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