24 schuld! Ich hätte dort zu Kochel nicht so plötzlich und als Dir ganz unbekanntauf Dich zugehen und noch dazu gleichum einen Tanz — sogar um den ersten 77 bitten sollen! „Ja, hätte ich nur eine Ahnung ge¬ habt,“ entgegnete Anna herzlich, „daß Du mein lieber Spielkamerad von Grafing seist, den ich alleweil so gar gern gehabt Damals bin ich aber schon, ehe Du mick nur ansprachest, so verdrossen gewesen, daß mir das Scherzen ganz vergangen war —und schau'! gekannt hab' ich Dich halt auch nicht!“ ... „Glaub' Dir's wohl!“ seufte Lienhard. „Bin freilich ganz verändert seit der fröh¬ lichen, unvergeßlichen Grafinger Kinder¬ zeit!“ ... Schnell strich er sich mit der Hand über die schön gewölbte Stirn, als wollte er die letzte bittere Erinnerung wegwischen und sagte dann mit seiner alten freundlichen Miene, die schon dem Knaben so gut angestanden: „Doch ge¬ denkst auch Du noch hie und da an jen fernen, glücklichen Tage, wo wir bei min zu Hause so lustig und schön zusammen gespielt haben?! „Ob ich daran denk'?!“ sagte Anna mit einem solchen Tonfall ihrer wohl¬ lautenden Stimme, aus dem die redlichste Antwort auf die Frage herausklang ... „Als wär's erst gestern gewesen so richtig weiß ich noch alles! ... Wohl! wohl! das war noch die herrlichste Zeit wo uns Kindern die ganze Welt ge¬ hörte!“ ... Nachdenklich sah das Mäd¬ chen vor sich hin und seufzte so recht aus tiefster Brust: „Ach! in jenen Zeiten, wie schön war es da — und wie glücklich sind wir beide gewesen!“... Im vertrauten Gespräch, das stets inniger ward je mehr sich beide in die seligen Kindheitserinnerungen vertieften, saßen sie Hand in Hand beisammen und vergaßen ganz der Hochzeit des Tanzes Bei diesem traulichen Geplauder konnte es natürlich auch nicht fehlen, daß jener Unfall erörtert wurde, welcher für Lien¬ hard so traurige Folgen hatte. „Kannst Du mir mein Verschulden auch verzeihen?“ fragte Anna im demütig¬ herzlichen Ton. „Ach! es geschah nur in meinem kindischen Mutwillen! Lienhard sah einen Moment traurig vor sich hin, dann sagte er wieder männ¬ lich gefaßt: „Ich seh' es ein, daß wir ein¬ mal doch darüber reden müssen! Tun wir aber dieses Gespräch so rasch als mög¬ lich ab — und dann nie mehr eine Silbe darüber! ... So wahr ich einmal in den Himmel zu kommen hoffe ich trag Dir nichts nach! Es war halt ein Un¬ glück, und unser Herrgott wird es am besten wissen, warum er mir's geschickt hat! Dir gebe ich nicht die geringste Schuld, warst Du ja doch ein Kind noch und hast es gewiß nicht bös gemeint! „Ach! hättest Du damals nur gleick davon geredet!“ rief Anna und konnte kaum ihre aufsteigenden Tränen unter¬ drücken, „gewiß wär' Dir zu helfen ge¬ wesen!“ „Vielleicht!“ flüsterte Lienhard resig¬ niert. „Dann aber hätte ich auch einge¬ stehen müssen, wie sich alles zugetragen! Ich hatte Dir jedoch fest versprochen ge¬ habt, daß ich kein Sterbenswort davon reden würde! ... Hat mich mein Still¬ schweigen auch nie gereut, daß ich mein Versprechen treulich hielt, weiß Gott im Himmel! Anna sah ihn mit weinenden Augen an. „Du bist so viel —viel gut gegen mich! Ich verdien's aber nicht —denn, ach! es ist nur nicht wahr, wenn Du meintest, daß ich's immer aus Bosheit getan habe! Erstaunt hörte Lienhard dem Bekennt¬ nis des Mädchens zu. Zögernd und mit gesenkten Augen fuhr sie fort: „Gerade damals war ich gar so 'gen Dich ver¬ bittert!... Wohl, wohl hab' ich drauf gesonnen, Dir ein Leid anzutun! Lienhards befremdete Verwunderung stieg. „Jal aber warum denn?... Ich hatte Dir doch gar nichts getan?!“ Gar „Schon recht!...Nichts! nichts! Doch schau! Ich war halt damals ein recht unvernünftiges, dummes Kind! Ich hab's gar nicht vertragen können,
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