Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

20 mutungen. Jedoch die jüngste unter den Kameradinnen wollte von ihrer Base in der Münchenerstadt gehört haben, Lien¬ hard sei dort bei einem Maler in die Schule gegangen, der eine wunderschöne Tochter gehabt! In die habe er sich ver¬ schossen, und dieser gelte das Lied vom: „Widerhall! Bei der ganzen langen und lebhaften Erörterung saß Anna wie auf glühenden Kohlen und, als sie nun die Erzählung von der schönen Malerstochter vernahm da verging ihr fast der Atem, und sie dankte Gott, als es endlich Zeit zum Auseinander= und Heimgehen war ... Das fröhliche Geplauder der Mädchen tat ihrem wunden Herzen weh, denn sie war so betrübt — so traurig bis zum Sterben — daß sie den Tod als alten Hausfreund begrüßt hätte! ... Um von der lustigen Schar baldigst loszukommen, schlug sie einen Seitenpfad ein, der für sie sogar ein Umweg war. — Ohne auf das Sträßchen oder irgend eine Richtung zu achten, ging sie, eine willenlose Beute der sich widerstreitendsten Empfindungen „Was gehl und Gedanken, dahin! auch mich das alles an?!“ ... „Unrecht war's freilich,“ murmelte sie im Selbst¬ * gesprach ... von mir, daß ich ihn bei der — Doch, Kirchweih so beleidigt habe! ich will's wieder gut machen, wie und sobald ich's vermag! ... Was geht es auch mich an, für wen er das neue herr¬ liche Lied gemacht hat? ... Wohl paßt die schöne Malerstochter in der Münch¬ nerstadt besser zu ihm, als —.“ Sie vollendete den Nachsatz nicht, da sie sich scheute, diesen auszusprechen! „Jedenfalls wird sie auch so „g'stu¬ diert“ wie er sein!“ fuhr sie nach einer Weile wieder fort; „. . . da, bei uns am See, gibt's ja nur lauter einfältige Bauernmädeln! Erst, als Anna einen ziemlich steilen Hügel hinanstieg, kam sie aus dem wirren Zuge ihrer Gedanken heraus und sah nun, daß sie ganz nahe bei dem statt¬ lichen Malerhause mit den hohen spiegel¬ scheibigen Fenstern angekommen sei! Sie mußte hart daran vorüber, da auf der einen Seite unten der See lag, auf der anderen Seite sich aber ein großes, noch unabgeschnittenes Kornfeld ausdehnte Zuvor hielt sie unschlüssig an, dann aber beruhigte sie sich bei dem Gedanken, daß ihr Lienhard wohl nicht gerade jetzt be¬ gegnen würde! Auch hätte sie gar zu gerne das Gebäude gesehen, welches von allen Leuten so sehr gerühmt wurde! Beim Nähertreten bot sich ihr die beste Gelegen¬ heit. Da, wo der mit Gebüsch umwach¬ sene Gartenzaun in einem fast nie be¬ gangenen Seitenpfad endete, konnte sie ungestört ihre Beobachtungen anstellen Und wahrhaftig, so schön und zier¬ lich lag das Haus da, gleichsam „wie aus dem Ei geschält!“ ... Es sah auch aus, als wenn darin nur Glück und Friede hausen könnten! ... Als das junge Mädchen langsam vorübergehend die Fenster genau betrach¬ tete, ersah sie, während sich ihr Gesicht mit dunkler Röte überzog, auf einem der Blumenbeete die von Lienhard unter den drei Tannen geschnitzte Vase stehen, die mit Waldmoos und zierlich herab¬ hängendem Schlinggewächs gefüllt war in der Mitte befand sich, sorgfältig gepflegt, gleich einem glühenden Kern, der ihr nur zu bekannte Nelkenstrauß Da wurde es dem Mädchen ganz eigen ums Herz! Eine stille Befriedigung beseelte sie, denn, wenn er ihre Blumen¬ gabe so in Ehren hielt — wohl konnte er vermuten, wessen Hand ihm diese zu¬ geworfen hatte — so mußte auch nichts an der Geschichte mit der Malerstochter sein! In ihren Gedanken vertieft, hatte sie den auf dem Feldwege ihr Entgegen¬ kommenden gar nicht bemerkt und wurde durch die plötzliche Ansprache desselben unangenehm aus ihrem Sinnieren auf¬ geschreckt „Was wär' mir das?!“ rief er ihr entgegen, „wir zwei kommen auch einmal wieder zusammen?! Anna war zu überrascht, als daß sie sofort hätte die richtige Antwort finden können, als Sepp auf einmal vor ihr dastand! Lachend fuhr der nun fort:

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2