sprach! —Ihr wurde so ruhig und wohl im Gemüt, daß sie meinte, Lien¬ hard und sie seien noch die Kinder, die einst zu Grafing „Haschen“ gespielt oder wie man dort sagt „Fangen=Mandl“ und all die Leidensjahre, welche zwischen jener glücklichen Zeit und jetzt lagen, seien nichts als ein langer wirrer Traum! Jetzt erhob sich Lienhard und schickte sich zum Gehen an. Das junge Mädchen mußte sich eilen, wollte es nicht mit ihm zusammentreffen! Während er nun sein Schnitzzeug in der Ledertasche unter¬ brachte und schon nach der fertigen Vase langte, warf die Maid noch einen langen — letzten Blick auf ihn hinunter: dann löste sie mit einem raschen Griff den herrlichen Nelkenstrauß, und der duftige Blumengruß flog in die Tiefe und fiel — Ver¬ gerade vor Lienhard nieder! wundert schaute er in die Höhe — aber nur die Zweige und das Laub des Hasel¬ gebüsches, worin sich Anna versteckte, sal er noch schwanken... Sie selbst floh wie ein gejagtes Reh den Waldpfad hinab „ kam unbemerkt in ihrer Muhle an und schlüpfte in ihre Kammer, wo sie sick mit allen ihren Gedanken, Empfindungen und Träumen einriegelte. ...... Die Ernte kam und mit ihr Ar¬ eine Menge wichtiger ländlicher beiten ... In der Jochmühle dachten nur noch Anna und die Schwägerin des Kirchweihvorfalles. Der Letzteren war es nicht entgangen, daß ihre Nichte viel stiller und träumerischer geworden sei aber nie sprach sie über diese Verände¬ rung in Annas Wesen, weil sie wußte, wie unleidig dieser jede Bemerkung da¬ rüber sei! — Annas Sinnen gehörte der Vergangenheit, und nicht selten fand sie sich dasitzend, die Arme im Schoße ru¬ hend, während ihre Gedanken die Wald¬ blöße am rauschenden Bergwasser mit den drei Tannen umschwebte. Die Hochzeit der Lauterbacherresei wurde in dem Gast= und Brauhause zu Schlehdorf gefeiert, und Jung und All sprach nur vom Brautgesang, der bei dieser Hochzeit gesungen werden sollte Auch Anna war als Kranzljungfer für 19 diesen Ehrentag ihrer Jugendfreundin bestimmt! Wenige Tage vor der Feier waren sämtliche zum Stuhlfest ihrer ein¬ stigen Schulgenossin und Freundin ge¬ ladenen Mädchen im Hause der Braut zusammengekommen, um alles fehlende noch etwa zu beraten und zugleich die Aussteuer zu bewundern! — Selbstver¬ ständlich kamen die jungen und heiterer Mädchen bald auch auf die Vergnügun¬ gen des Hochzeitsfestes zu sprechen! Da¬ bei nun mußten sie der zu erwartenden Gesänge gedenken, und damit stand na¬ türlich der Uebergang zum gefeierten Dichter und Sänger des Dorfes in eng ster Verbindung. Alles wetteiferte im Lob des neuen und wunderschönen Liedes, das Lienhard Tags vorher beim 6 „Heimgarten“ in einem der benachbarter Höfe gesungen! Dieser Gesang benannte sich: „Der Widerhall!“ ... Die Liebes¬ klage eines Burschen lag diesem Liede zugrunde, welcher seine Neigung nicht zu gestehen wagen darf, und der deshalb das Echo bittet, statt seiner die Werbung vorzubringen! ... Sie konnten die lieb¬ liche Weise nicht genug rühmen und den so wehmutsvollen, wiederholten Schlu߬ vers „Gute Nacht! Gute Nacht! bis alles wacht! Schlaf' aus deine Freude! Schlaf aus dein Leid! Der Vollmond steigt, und der Nebel weicht wie Und der Himmel da droben, — ist er so weit!“ ... Zuletzt wiederholte das Waldhorn immer die Melodie der letzten Zeilen: erst stark, dann leiser, schließlich erster¬ bend, wie das Echo an den Felswänden nach und nach verschwebt! ..... Ohne sich ins Gespräch zu mischen hörte Anna zu, und die Mädchen waren so aufmerksam und taten, als ob sie nichts davon merkten .. Nur darüber waren sie nicht einig, ob Lienhard den Gesang so von ungefähr oder mit Be¬ dacht auf sich selber ersonnen habe, und wer dann wohl der Schatz sein soll, dem er galt?! ... Man hatte aber nur Ver¬ 5 1
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