Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

8 Im raschen Trab fuhr Frau Kathi des Wegs nach Rosenheim dahin, und nur mit Mühe vermochten ihre beiden Beglei¬ terinnen ihre gierige, habsüchtige Freude zu verhehlen, endlich so nahe am Ziele an¬ gelangt zu sein. Entschlüpfen konnte ihnen nun ihre Beute nicht mehr. Wenn aber der Verkauf des Hofes stattgefunden hatte, so zogen sie aus dem Erlöse reiche Provi¬ ionen, wenn ihnen die Veräußerung des werthvollen Anwesens um solchen Schleu¬ derpreis gelang. Zudem mußte ihnen die Bäuerin auch noch ein Handgeld für ihren Einkauf ins Kloster bezahlen, den sie ihr ebenfalls zu übernehmen versprochen hatten. Sonst hatten die beiden Erb¬ schleicherinnen ihre Sprechorgane so an¬ zustrengen gewußt, daß diese wie Mühlen¬ räderschnurrten, jetzt, fast am Ziele, gaben sie sich keine weitere Mühe mehr. Der Goldfisch war im Netz, und Frau Kathi konnte ja selber kaum ihren Ein¬ tritt in das Kloster erwarten, wovon ihr die Freundinnen so viel Schönes und Gutes vorgemacht hatten. In der Stadt angelangt, eilte das selt¬ same Trifolium nach kurzer Erfrischung zu dem angeblichen Käufer des Hofes, der jedoch ein Gutszertrümmerer und Wuche¬ rer schlimmster Sorte war. Ein dürres Männlein, aalglatt, den der Volksmund nur den „Halsumdreher" und „Kravat¬ telwürger“ hieß, den die Bauern wie Gift und Feuer fürchteten und dem sie überall auswichen. Trotzdem drängte sich der „Hof= und Hausmarder überall mit gleißender Freundlichkeit an sie, und wer je mit ihm im Zwang der Noth Bekannt¬ schaft geschlossen, mußte diese Verbin¬ dung bitter bereuen, denn der Bettelstab war ihm gewiß. Dieser Wucherer nahm für sehr wenig geliehenes Geld ungeheure Zinsen, und doch mußte man in höchster Bedrängniß, nach Hagelschlag, Viehseuchen oder Ab¬ brennen Hilfe und Baargeld bei diesem Dorfbampyr suchen, da zu jener Zeit die betreffenden Versicherungscassen noch sehr in ihrer Kindheit standen. Jeder, welcher mühselig genug die Unterschrift oder unter Beihilfe von Zeugen die obligaten drei Kreuzlein unter die Schuldurkunde hin¬ malte, das bißchen Geld einsackte, hatte sich gleichsam dem bösen Feind mitHaut und Haar verschrieben und schuldete vier¬ — funf=, sechsmal so viel als er empfangen. Konnte nun der Bauer am Verfallstag nicht bezahlen — und leider war das im¬ mer der Fall — dann holte der Blut¬ sauger die letzte Kuh aus dem Stalle und trieb so die um Alles gebrachte Fa¬ milie des Schuldners von Haus und Hof. Die Behörde kannte das gefährliche Handwerk dieses Blutigels recht gut, allein der Wucherer trieb sein lichtscheues Ge¬ chäft so schlau, daß es sehr schwer hielt, ihn abzufangen. Die betrogenen Land¬ leute scheuten zumeist den Weg zum Ge¬ richt gar sehr und wanderten lieber ins Elend, als sich schließlich erfolglos der Rache des „Kravattelwürgers“ auch noch auszusetzen. Unter diesen Umständen konnte der Landrichter wenige oder gar keine Beweise zum Einschreiten sammeln. Als nun die beiden Weiber, Creaturen des Güterzertrümmerers, die reiche Ro߬ bergerin in seine verrufene Behausung schleppten, und diese, an nichts Anderes mehr als an ihr künftiges Klosterleben denkend, sich wirklich bereit erklärte, für eine geradezu lächerliche Summe das ganze schöne Besitzthum zu verschleudern, so funkelten die Augen des dunklen Ehrenmannes vor Habgierde, und der ungeheure Gewinn bei diesem Verkaufe ließ das dürre Männlein geradezu er¬ schauern und die gekrümmte Gestalt „ drängte vor habsuchtiger Erwartung zit¬ ternd zur Verbriefung des Geschäftes. Der Wucherer erschöpfte sich im Amts¬ locale des Notars, dem der Kaufvertrag vorgelegt werden mußte, in widerlichen Verbeugungen. Der pflichtgetreue Beamte besah sich hocherstaunt diese eigenthümliche Gruppe. Er kannte sowohl den Bauern¬ schinder als auch die Witwe, das einst so stattliche Weib des Roßbergerhof=Bauern, die jedoch in ihrer nunmehrigen Gemüths¬ verfassung, in der absonderlichen, der

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2