Toni, das Bild von einem hübschen, kraft¬ vollen Oberländerburschen, ihr in die schönen braunen Augen gesehen hatte! Toni war nur ein vermögensloser Mäl¬ zer in der benachbarten Waizinger'schen Großbrauerei zu Miesbach, der in jeder Woche ein paar Mal den Bierbedarf des Roßbergerhofes besorgte. Groß und — kraftig gebaut, mit hübschen, männlichen Gesichtszügen, denen der herrische, braune Schnurrbart ein fast kühnes Aussehen gab, machte er einen so vertrauenswür¬ digen Eindruck durch seine ganz stattliche Erscheinung, daß nicht nur die Dirndln, sondern auch die meisten „Mannersleute“ den sauberen Burschen wohlgefällig an= und nachschauten. Aber seltsamer¬ weise machte sich Toni trotz des Empfehlungsbriefes, den ihm die Natur auf sein offenes Gesicht geschrieben, nur wenig aus dem „Weibervolk", und, obwohl er sie nicht geradezu verachtete, bewarb er sich doch um kein Mädchen. Anders stand es aber mit ihm, als er zum ersten Male auf den Roßbergerhof als Bierführer gekommen war, Veverl gesehen und gesprochen hatte! Von dem Augen¬ blick an stand das Mädchen stets vor sei¬ nem geistigen Auge, und, da ihm das Kämpfen, ihr Bild in seinem Herzen aus¬ zulöschen, trotz aller Anstrengung nicht gelang, so gab er schließlich willig diesem angenehmen Zauber nach. Jähe Röthe stieg in Veverl's Wangen auf, trat der Bursche zu ihr in die Küche; stets bat er dann treuherzig „um Verlaub“ sich an das Herdfeuer setzen zu dürfen. Aller¬ dings konnte der gute Bursche, wenn er mit seinem Biergespann an den Wochen¬ tagen in das Anwesen kam, nur ganz kurze Zeit daselbst eingasten, aber an Sonn= und Feiertagen, wo er meist ganz frei von Arbeit war, da sprach er zu gern unter allerlei Vorwänden auf dem Ro߬ bergerhof ein, und das Mädchen war über eine oftmaligen Besuche nichts weniger als böse! An einem Festtage mußte Veverl zu Hause die sogenannte Kirchenwache halten, da alle Hofbewohner in den Gottesdienst 3 nach Miesbach gewandert waren. So war denn nur das kleine Pförtchen neben dem verschloss'nen Hofthor unversperrt, und der große Hund, der treue Sultan, lag heute, von seiner Kette befreit, sich tapfer sonnend auf der sogenannten „Gräd“ wo er, den Kopf auf die Pfoten gelegt, blinzelnd den Eingang durch das Neben¬ thürlein in den Hofraum bewachte. Das kluge Thier kannte alle ins Haus gehöri¬ gen Leute wohl, während er jeden Frem¬ den sofort durch sein tiefes Bellen an¬ kündete. Von ferne klangen die Glocken des Marktes Miesbach feierlich zu dem hoch¬ gelegenen Roßberger Anwesen herauf und kündeten mit ihren weihevollen Tönen den Anfang des Hochamtes an! Vevi, die Putz Haustochter, stand im festtäglichen Sei¬ mit der silbernen Halskette und dem ver¬ dentuch auf dem reich mit Silber der schnürten Mieder geschmückt, unter in Hausthüre, Rosenkranz und Gebetbuck ten der Hand, und setzte sich nun beim er aus Zeichen der Glocken in die „Gräd“ ge¬ deren breiten Rand die vielen sorglick haltenen Geranien= und Nelken=Stöcke standen und gerade blühten, die den chmucken, altanenverzierten Häusern im Hochland das freundliche, lebenswarme Aussehen verleihen. Der Blick des schönen Mädchens schweifte in den herrlichen, feiertäglichen Rosenmonatstag hinaus und umfaßte mit einem Blick die grünen Matten des dortigen Hügellandes, die saftvollen Wiesen und Auen, prächtigen Laubwälder und die unten an der breiten Landstraße vorbeischäumende Schlierach mit ihrem Quellwasser und den herrlichen Forellen, die sich in dem grünen Krystall wonnig herumtrieben!... Bei solchem Ausblick wird die Brust weit, tiefer geht der Athemzug ein und aus, und ein in¬ niges Dankbarkeitsgefühl gegen Gott, den Allmächtigen, der so unendlich Erhabenes geschaffen, senkt sich in das sonst so be¬ gehrliche Menschenherz! Auch Vevi's Hände falteten sich bei diesem herrlichen Anblick andächtig, und die Kirchenglocken die nun nah und fern erschallten, bekräf¬ 1*
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