104 erste Vertreter des geschädigten Klosters und der oberste Herr des im Meierhofe von ihrem Gatten erschlagenen leibeigenen Hausmeiers des Klosters, selber die hei¬ lige Messe las. Der Abt schien ihre Anwesenheit in der Kirche vorerst gar nicht zu bemerken, erst als er am Schlusse der heiligen Hand¬ lung den Betenden das Weihwasser reichte, machte er der Losensteinerin eine kaum merkliche Verbeugung und sah sie so ruhig und doch so klar an, daß Frau Rosa¬ munde erkannte, er errathe die Absicht, warum sie hergekommen war, und billige dieselbe. Und wirklich trat ihr beim Ver¬ lassen der Kirche der Pater Prior ent¬ gegen und sagte ihr in seiner ruhigen Weise, der Abt sei eben im Sprechzimmer und wäre gern bereit, etwaige Wünsche der edlen Frau entgegenzunehmen. Frau Rosamunde folgte denn auch dem Prior in das Sprechzimmer, wollte sich aber gleich zurückziehen, als sie darin den Abt im Gespräche mit drei Leuten traf, zwei Hörigen des Klosters, wie ihr scharfer Blick auf den älteren Mann und den netten, einige zwanzig Jahre alten Burschen sofort es gewahrte, die in ehrer¬ bietiger Haltung vor dem Abte standen und einer weinenden und schluchzenden, hübschen, starken Dirne im Erzählen eines ihr widerfahrenen Leides behilflich zu sein schienen. Der Abt trat aber rasch zu der Edel¬ frau und, auf die Drei weisend, meinte er mit sinnigem Lächeln: „Sind Hörige unseres Klosters und an den Folgen des jüngsten Brandes stark betheiligt — so Ihr es erlaubt, edle Frau, mögen sie hier bleiben, vielleicht hat Euer feinfühliges, stets mitleidiges Herz ein Fünkchen Trost für alle Drei im Allge¬ meinen und für das Mädchen im Beson¬ deren — kann sie aber auch wegschicken, so Ihr, edle Frau, an mich ein Anliegen habt, das mit den Folgen der schlechten Bewirthung Eures Herrn Gemahls nicht im Zusammenhange möchte sein!“ Und er sah Frau Rosamunde ernst und fragend an. Diese aber war froh, über die peinlichen, einleitenden Worte über den Zweck ihres Besuches sogleich hinweggekommen zu sein, und ahnte, daß diese drei Klosterhörigen ihr vielleicht eine Handhabe dazu würden bieten können, daß ihr heutiger Besuch hier für sie und ihren Gatten in nicht allzu demüthigender Weise segensreich würde endigen können. Daher meinte sie sogleich in ihrer herz¬ gewinnenden Weise und dem greisen Abte reundlich zunickend: „Ihr mögt Euere Leute nur ruhig hier ein lassen, hochwürdigster Herr, so die¬ elben mit der Absicht meines Hierseins —und etwas werden zu thun haben meine Absicht ist Euerer Weisheit, wie ich recht wohl merke, kein Geheimnis mehr, Herr Abt! Gewiß nicht, edle Frau“, lächelte der Abt und bot Frau Rosamunden einen Sitz an, „warum sollte ich es nicht wissen, was der ganze Gau so rühmend sich erzählt, daß, wo des grimmen Ritters von Losen¬ tein starke Faust unbedacht ein Uebel hat gethan, dessen Ehegemal dieses Uebel her¬ nach mit hohem, echtem Frauensinn in Gutes will verwandeln? Um das handelt es sich hier doch wohl, edle Frau? „Ei, freilich, müßt mich darob nicht — kann ich Euch be¬ loben, Herr Abt hilflich sein, die Thränen der Dirne hier zu trocknen? Und Frau Rosamunde sah fragend den Abt an. Der wiegte sinnend das greise Haupt. „Diese ihre Thränen wird wohl die Zeit am besten ganz versiegen machen“ erwiderte Abt Nikolaus ruhig und strich leicht den weißen Bart, „denn das Mäd¬ chen hier ist unseres Hausmeiers brave Tochter, ist eine Waise seit — hm“ der Abt suchte augenscheinlich nach einem passenden, die edle Frau nicht verletzen¬ den Worte — „seit wir unseren schönsten Hof durch Feuer zu verlieren das Unglück hatten! Der Meier, ihr Vater, hat dabei den Tod gefunden und dessen Bruder hier“ — er wies nach dem älteren Manne hin — „und dessen zukünftiger Eidam er nickte dem jungen Burschen wohlwollend „haben, so wie der Meier selber, zu — all ihr Hab und Gut beim Brande ein¬
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