94 Artikel 4. Gegen die sich ergebenden oder zurückkehrenden Bürger wird weder das Civil¬ noch das Strafverfahren für im Zusammenhange mit dem Kriege stehende Handlungen eingeleitet. Diese Clausel wird jedoch nicht auf gewisse, den Kriegsgebräuchen zuwiderlaufende Handlungen ausgedehnt, welch letztere sofort nach der Been digung der Feindseligkeiten vor dem Kriegs¬ gerichte zur Verhandlung gelangen. Außerdem wurde vereinbart, daß die hol¬ ländische Sprache in den Schulen Transvaals und des Oranje=Freistaats gelehrt werden und bei den gerichtlichen Verhandlungen gestattet werde; daß die militärische Verwaltung sobald wie möglich durch die Civilverwaltung ersetzt die und sobald die Umstände es gestatten, repräsentativen Institutionen die zur Selbstver¬ waltung führen, eingeführt werden sollen. Die englische Regierung bewilligt zur Wiederinstand etzung der zerstörten Farmen 2c. eine Dotation von 3 Millionen Pfund Sterling und stellt weitere darlehensweise Vorschüsse zu diesem Zwecke bereit Genaue Kenner der südafrikanischen Ver¬ hältnisse äußern sich ziemlich pessimistisch über den Werth dieses Friedensschlusses und die even tuelle Dauer des Friedens und verschiedene Momente lassen diesen Pessimismus nicht unge¬ rechtfertigt erscheinen. Es sind dies der Umstand daß Krüger, der Präsident der Transvaal= republik, das Friedensprotokoll nicht unter¬ zeichnet hat und daß dies auch bei Steyn, dem Präsidenten des Oranje=Freistaates, der Fall sein dürfte, ferner die Thatsache, daß sich nach offi¬ ciellen englischen Berichten 16.620 im Felde stehenden Buren ergeben, dabei aber nur 16.123 Gewehre ausgeliefert haben und endlich die Gründe, welche die Buren zum Friedensschlusse, bewogen haben. Als solche Gründe sind in dem dem englischen Blaubuche über den südafrika¬ nischen Krieg beigeschlossenen Protokolle der Burenconferenz in Vereeniging vom 31. Mai 1902 angegeben: Engländer das Gebiet beiden daß die 1. Republiken völlig verwüsteten 2. daß die Concentrationslager eine uner¬ hörte Zahl von Erkrankungen und Sterbefällen verursachten; fast alle Kaffernstämme die Waffer 3.daß wohl von den Engländern geliefert) ergriffen hatten, um gegen die Buren zu kämpfen, und Mordthaten und Grausamkeiten begingen. Den sichersten Gewinn aus dem Burenkrieg haben übrigens Lord Roberts und Lord Kitchener gezogen. Ersterer, der doch gewiß nicht als Be¬ zw inger der Buren nach England zurückgekehrt ist, erhielt eine Nationaldotation von 100.000 Pfund Sterling (Kr. 2,400.000), Lord Kitchener, der mehr durch sein diplomatisches Talent, als durch seine kriegerischen Operationen den Friedensschluß herbeiführte, wurde zum Viscount ernannt und erhielt überdies eine Nationaldotation von 50.000 Pfund Sterling. Der Burenkrieg bildete übrigens auch die erste Probe auf den praktischen Werth der Haager Friedensconferenz; diese Probe fiel negativ aus das permanente internationale Schiedsgericht er¬ klärte sich für incompetent. Der Gesammtverlust der englischen Armee in Südafrika beträgt 28.434 Combattanten. Es 20.870 Mann in Süd¬ tarben 1072 Officiere und afrika, 80 Officiere und 500 Mann nach der Rückkehr in England und 105 Mann werden noch vermißt. 5879 Soldaten ind invalid geworden. Zum Gouverneur derannectirten Republiken wurde im Juni 1902 Lord Alfred Milner ernannt. Am 20. Juli 1901 starb in Pretoria die Gattin des Präsidenten Krüger im Alter von 57 Jahren. Ende März starb in Südafrika Cecil Rhodes der eigentliche Urheber des Südafrikanischen Krieges. Seine Feindschaft gegen die Buren datirte von dem Tage, da ihm Krüger vor Jahren eine Audienz verweigerte. Der Miturheber des Krieges, Chamberlain, wurde am 7. Juli 1902 in London infolge eines Wagenunfalles am Kopfe schwer verletzt. Die Heilung nahm ziemlich lange Zeit in Anspruch und die Verwundung ließ bleibende Spuren zurück. 3 * * Am 11. Juni 1902 starb in Tunis der regierende Bey Sidi Ali im 85. Lebensjahre. Er regierte seit 23. October 1882. Als sein Nachfolger wurde sein Sohn Prinz Mohamed el Hadi proclamirt. Asien. Die Wirren in China. Wir haben unseren vorjährigen Bericht damit geschlossen, daß die chinesische Regierung die von den Gesandten aufgestellten Friedensbedingungen acceptirt und daß sich eine chinesische Sühne¬ mission unter Führung des Prinzen Tschun auf dem Wege nach Berlin befinde, um dort die Entschuldigung China's wegen der Ermordung des Gesandten Ketteler zu überbringen. Diese Mission traf, nachdem plötzlich aufgetauchte diplo¬ matische Schwierigkeiten eine Unterbrechung der Fahrt in Basel veranlaßt hatten, am 3. September 1901 in Potsdam ein und entledigte sich dort¬ elbst am 4. September 1901 ihrer Aufgabe. Fast zu gleicher Zeit, am 5. September 1901, langte eine chinesische Sühnemission in Tokio ein, welche die Ermordung des ersten Secretärs der japa¬ nischen Gesandtschaft in Peking Sugiyama ent¬ schuldigen sollte. Die Räumung Pekings durch die Truppen bis auf die Schutzcontigente — der Großmächte wurde auf den 17. Sep¬ — der Gesandschaften tember 1901 angesetzt. Am 7. September wurde das Friedensschlußprotokoll in Peking unter¬
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