Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

88 die Commission selbst konnte nur mit Mühe der wüthenden Volksmasse entrissen werden. Am nächsten Tage wiederholten sich die Unruhen und es kam zu einem Straßenkampfe zwischen den Volksmassen und den gegen dieselben aufgebotenen Kosaken, wobei letztere nur mit Mühe der Ver¬ nichtung entgingen. Auch an anderen Recrutirungs¬ stellen Finnlands kam es zur Recrutenabstinenz o daß bei der Recrutenmusterung in Finnland bis 10. Mai durchschnittlich nur 30% der Wehr¬ pflichtigen erschienen. In 366 emeinden stellte sich Niemand, in sechs Gemeinden verweigerte der Secretär der Musterungscommission die Aus schreibung der Stellung. Am 15. April 1902 wurde der russische Minister des Innern Sipjagin von einem Studenten namens Malyscheff erschossen. Zu seinem Nachfolger wurde der Senator und Minister Staatssecretär von Finnland v. Plehwe ernannt. Im April 1902 gab der zum Unterrichts¬ minister ernannte Generaladjutant Wannowski seine Demission, weil Kaiser Nikolaus auf Ver¬ anlassung Pobiedonoszeffs sich geweigert hatte den Entwurf Wannowski's, betreffend die Reform der Mittelschulen, zu genehmigen. Zum Verweser des Ministeriums wurde der Gehilfe des Ministers ür Volksaufklärung Senger bestellt. Am 1. November 1901 meldete der russische Finanzminister Witte dem Czaren, daß die große sibirische Eisenbahn, zu welcher Nikolaus II. an 7. Mai 1891 (noch als Großfürst=Thronfolger in Wladiwostok den Grund gelegt, befahrbar ei und daß auch auf der Südmandschurischen Bahn schon Züge nach den im Golf von Petschili ge¬ legenem Port=Arthur verkehren. Am 31. August 1901 verschied in Petersburg Fürst Eugen Maximilianowitsch Romanowski, Herzog von Leuchtenberg. Er war am 8. Februar 1847 als Sohn des Herzogs Maxi¬ milian von Leuchtenberg und einer Gemahlin Maria Nikolajewna, geborene Großfürstin von Rußland zu Petersburg geboren Der Verstorbene war russischer General. Skandinavien. Infolge einer im April 1902 in Schweden¬ Norwegen ausgebrochenen Ministerkrise kam es zu verschiedenen Veränderungen im Mini¬ terium. Der bisherige Staatsminister in Stock holm wurde zum Staatsminister in Christianic und Dr. Sigurd Ibsen zum Staatsminister in Stockholm ernannt. Der bisherige Justizminister Ovam wurde Mitglied des Staatsrathes in Stockholm und der bisherige Staatsrath in Stockholm Aarstad übernahm das Justizi portefeuille Am 15. Mai brach in ganz Schweden aus politischen Gründen ein Generalstrike aus welcher nach den Beschlüssen der socialdemo¬ kratischen Parteiorganisation bis zur Beendigung der am gleichen Tage im Reichstage beginnenden Berathung der Vorlage betreffend das politische Stimmrecht dauern sollte und auch wirklich drei Tage anhielt. Zweck dieses Generalstrikes und mehrerer gleichzeitig stattfindender Demon¬ trationsumzüge war die Erzwingung des un¬ beschränkten allgemeinen Stimmrechtes; der Zweck wurde aber nicht erreicht, denn der Reichs¬ tag ließ sich nicht nur nicht durch die Arbeiter¬ demonstration bestimmen, einen den Wünschen der Socialisten entsprechenden Beschluß zu fassen, ondern viele Mitglieder des Reichstages wurden höchstwahrscheinlich gerade infolge der socia¬ istischen Veranstaltungen bewogen, gegen den von der liberalen Fraction der zweiten Kammer eingereichten Vorschlag einer bedeutenden Herab¬ etzung des Wahlcensus zu stimmen. Der Reichs¬ tag lehnte nämlich sowohl den Vorschlag der Regierung wie den des Comités ab und beschloß, sich aufs neue mit einem Schreiben an die Regierung zu wenden, in welchem diese ersucht wurde, einen neuen, auf proportionale Wahl gestützten und dem Reichstage des Jahres 1904 vorzulegenden Vorschlag in dieser Frage auszu¬ arbeiten Im Monate August 1901 äscherte eine Feuersbrunst ungefähr vier Fünftel der Stadt Farsund in Norwegen ein. Am 16. Juli 1904 unterbreitete der dänische Ministerpräsident von Sehested dem Könige die Demission des Cabinets, welche dieser annahm. Ein Telegramm aus Stockholm vom 13. Au¬ gust 1901 meldete den Tod des kühnen Nord¬ polfahrers, dem die Lösung des Problems der nordöstlichen Durchfahrt gelungen ist, um das seit mehr als einem Jahrhundert so viele Opfer gefallen sind: Nils Nordenskjöld's. Nils, Adolf Erik Nordenskjöld der am 18. November 1832 zu Helsingfors als der Sohn des Chefs des innländischen Berg= und Hüttenwesens geboren wurde, im Jahre 1857 nach Stockholm über¬ siedelte, wo er 1858 Professor und Vorsteher der dortigen mineralogischen Sammlungen wurde, nahm von da an an allen wissenschaftlichen arktischen Expeditionen Schwedens theil. Den größten Ruhm erwarb sich der unerschrockene Nordpolfahrer aber durch die epochemachende Fahrt mit dem Dampfer „Vega“ entlang der Nordküste Sibiriens, von der Nordsee nach dem Stillen Ocean in den Jahren 1878/1879, womit Nordenskjöld sich die nordöstliche Durch¬ fahrt erzwungen hatte Schweiz. Im Frühjahr 1902 führte ein das Andenken König Humbert's von Italien beschimpfender Artikel eines Genfer Anarchistenblattes zu einem diplomatischen Conflicte zwischen der Schweiz und dem Königreich Italien, welch letzteres über die ungenügenden Abwehrmaßregeln der Bundes¬ regierung gegen anarchistische Umtriebe energische Beschwerde erhoben hatte. Infolge dieses Con¬

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