Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

44 meister und starrte den Osmanen an, der gemüthlich seinen krummen Dolch aus der Lederscheide zog, da er wohl wußte, daß ihm sein Opfer nicht entrinnen konnte. Fortenbach bat: „Begnüge Dich mit meiner kostbaren Uhr, meinem Golde und tödte mich nicht! Schlachte mich nicht ab wie ein Thier!“ Doch der Arnaute verlachte nur sein Flehen und schrie: „Du hältst mich, Ghiaur, wohl für einen Thoren! Du weißt ja, daß ich, wenn ich Dir jetzt den Kopf abschneide, Alles das erhalte, aber auch ür Dein Haupt noch einen Ducaten dazu! Da umfaßte der Rittmeister bittend den Leib seines grausamen Feindes, wäh¬ rend ihm dieser gemüthlich den Uniform¬ kragen aufmachte, die Halsbinde abnahm, zuletzt das Hemd öffnete, um den Hals frei zu bekommen! Noch sagte ihm der Baron: „Ich ent¬ stamme einer reichen Familie, und gibst Du mir Pardon, will ich Dir jedes Löse¬ geld zahlen, das Du von mir forderst! Dieser schüttelte aber seinen Kopf und versetzte: „Nichts da! Weißt Du denn nicht, Christenhund, daß wir Euch kein Quartier geben dürfen?! Köpfe! nur Köpfel ist unsere Losung, und Ehrensache von uns Skypetharen, Dein Haupt dem Pascha ins Lager zu bringen! Verschone mich deshalb mit Deinen weiteren Bitten! Nunfühlte der tapfere Husarenofficier, daß sein Todesurtheil gesprochen sei und kalter Schauer durchdrang ihn, aber auch der höchste Ingrimm, sich nicht wehrlos in sein schreckliches Geschick zu ergeben! Eben etzt, während ihm Achmed, der Arnaut, seinen Hemdkragen löste, fühlte er dessen haarscharfen Handschar im Ledergürtel desselben. Leise zog er, ohne daß es der Albanese merkte, die Klinge aus der Scheide und schrie plötzlich: „Horch' Türke! Was ist das?“ Um besser lauschen zu können und jäh erschreckt vom Zurufe Fortenbach's richtete Achmed den Kopf in die Höhe, während ihm der Rittmeister blitzschnell das blanke Dolchmesser so stark in die Kehle stieß, daß die Spitze bis in den Gaumen hinauf¬ drang. Schnell folgte der zweite Stoß, und röchelnd stürzte der riesige Krieger zu Boden! ... Jetzt war der Baron frei gerettet!... Tief athmete er auf; aber er vermochte nur mehr einen gellenden Schrei auszustoßen, dann erlag er der ungeheuren Aufregung und Ueberanspan¬ nung seiner ohnehin so sehr geschwächten Kräfte und brach zusammen!... Zum Glück hatten die Vorposten des unfern stehenden kaiserlichen Heeres diesen Nothruf vernommen. Die Rothmäntel meldeten sogleich, was sie gehört, ihrem Officier; auch kam eben jetzt eine Ab¬ theilung Soldaten, die kopflosen Leichen der ihrigen zu bestatten. Der comman¬ dirende Hauptmann begab sich sofort elber auf die gräßliche Mordstätte, wo die Greuel, die sich ihren Augen darboten Alle mit Entsetzen erfüllten! Nun erblickte der Befehlshaber die Ge¬ stalt des Rittmeisters. Sie war nicht zu erkennen; der moosgrüne, zähe Schlamm des Sumpfes bedeckte den gan¬ zen Leib; dazu hatte das Blut der Kopf¬ wunden und das des Arnauten diesen von oben her völlig übergossen! Erst als der Hauptmann das Gesicht des Bewußt¬ losen mit Wasser reinigen und ihm den Uniformpelz ausziehen ließ, rief er er¬ schrocken aus: „Der kaiserliche Officier ist der Rittmeister Baron Fortenbach von den Szekler Husaren!“.. Sofort mußten vier Soldaten den noch immer Ohnmäch¬ tigen ins Lager tragen. Ein heftiges Nervenfieber ergriff den noch immer nicht zum klaren Bewußtsein Gekommenen. Sieben Wochen lag er zwischen Leben und Tod zu Orsova im Lazareth, bis seine kräftige Natur den Sieg errang; jedoch noch lange bedurfte es, bis er endlich mit seinen Freunden und Kameraden, die ihm die vollste Theil¬ nahme zollten, verkehren konnte!... * Wenn auch seinerzeit dem Baron im Reden und Thun der Zigeunerin Alzide nichts Absonderliches aufgefallen war, so

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