Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

*5 224 sich auf und eilte der Schilfwildniß zu. Der Baron war ein hochgewachsener, stattlicher Herr. In seinem Laufe zum Moor rannte er mehrere Spahis nieder, die nach ihm fluchend griffen, da sie ihn mit Grund für einen fliehenden Husaren hielten. Nach ihm geführten Säbelhieben wußte er sich gewandt zu entziehen! Schon im nächsten Augenblick befand er sich im Sumpfe; merkte aber auch, daß er in dem weichen, schlammigen Boden ein¬ sank. Trotzdem arbeitete er sich mit Auf¬ bietung aller seiner Kräfte immer tiefer in „ denselben hinein... Bald aber fuhlte er ich so erschöpft, daß er innehalten mußte; zu gleicher Zeit vernahm er vom Rande des Moores her, von der Stelle, wo die niedergetretenen Binsen sein Eindringen in den Sumpf verriethen, eine gewaltige Stimme, die das bekannte Wort „Ghiaur ausrief, das nur ihm gelten konnte. „Hier ist er hinein! Wir wollen ihm nach! Ein Besonnenerer entgegnete: „Ist er hier hinein, versank er! Uns wurde doch o Achmed, ausdrücklich die Warnung er¬ theilt, das Moor nicht zu betreten, da es unergründlich tief sei und seine trüge¬ risch mit Sumpfpflanzen bewachsene Oberfläche auch nicht die geringste Last trage! Willst Du darin zugrunde gehen, so folge dem Flüchtling!“ Das war das Letzte, was Fortenbach vernahm; seine Kopfwunden fingen hef¬ tiger zu bluten an, und plötzlich schwand ihm das Bewußtsein!... Auch mochte der Todesschrecken, welchen ihm die letz¬ ten Worte des Türken erregten, nicht wenig zu der Ohnmacht, die ihn befiel, beigetragen haben. Wie lange er in ihrem Ein Banne gelegen, wußte er nicht. ... ihn warmer, heller Sonenstrahl weckte aus seiner Betäubung. Und „der 21. — Juli“ klang's in seiner Brust! Er ist sich vorbei! Doch sein Zustand, in dem er Bis befand, war niederbeugend genug. die an die Hüften stak er im Morast; tödtliche Kälte ließ seinen Leib, von den Lenden abwärts, völlig erstarren!... Gespannt horchte er trotzdem in der Rich¬ tung des Sumpfufers hin! ... Todten¬ 43 stille lag über der ganzen Stelle. Da kam wieder Hoffnung in seine bange Seele!.. „Die Türken sind fort“, sagte er zu sich „und die Kaiserlichen werden die Gefal¬ lenen nicht unbestattet lassen! Dann kann ich ihnen zurufen und gerettet werden! Mit diesem Gedanken kam neues, wun¬ derbares Leben in seinen erstarrten Kör¬ 1 per!... Es war die starkende Heilkraft der Hoffnung! Er fühlte sich so entkräftet, daß ihm vor der schweren Arbeit des Herausarbeitens aus dem Moraste graute!... Er sah nach seinen Wunden, und fand sich an Kopf, Brust und Armen verletzt, der dicke Pelz jedoch, den er über seine Uniform an¬ gezogen hatte, war ihm selbst beim Sturze vom Pferde eine Schutzwehr gewesen ... Je schärfer er hinhorchte, desto weniger empfand er Furcht vor irgend einem Ar¬ nautenhandschar, denn Alles blieb todten¬ still, und nur das Stöhnen todtwunder Rosse, sowie das Rauschen des Windes im Schilf tönte schauerlich zu ihm her¬ über!... Als nun der Rittmeister eines seiner Beine aus dem Moor zu heben ver¬ uchte, ging es zwar mühsam, aber doch leidlich. Die Spur im Rohr, welche von einem Hineinspringen herrührte, war deutlich durch die geknickten Binsen sicht¬ bar. Er folgte ihr wieder zum Gestade. Durch die anstrengende Bewegung kam neues Leben in seine Glieder, dazu wirkte die Hoffnung auf Rettung innerlich er¬ wärmend, neue Kraft verleihend! So erreichte er denn langsam, aber „ glucklich den Rand des Sumpfes und hielt sich schon gerettet, als er sich plötzlich einem hünenhaften Arnauten gegenüber¬ ah, der ihn mit grimmigem, grausig¬ frohem Gesichte angrinste. Der schreit ihm zu: „Diese Nacht Ghiaur, bist Du mir mit Deinem Kopfe entwischt! Doch ich wußte, daß Du noch lebendig oder todt — im Moraste — stecken mußtest, denn Alzide gab zwei¬ hundert Köpfe an, doch wir zählten ihrer nur hundertneunundneunzig, also fehlte Deiner!“ „Alzide, die Zigeunerin!“ rief der Ritt¬

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