Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

42 täuschen,“ entgegnete Fortenbach, „ist jenes ferne Geräusch das einer zahlreichen Reitertruppe!“.. „Mir klingt's immer mehr gleich fernem Donner!“ begann der Oberlieutenant wieder... Und immer näher, näher kam das Getöse!.. „Auf¬ gepaßt!“ ging leise das Commando durch die Reihen der Piquets!.. „Carabiner fertig!“.. Alles war gefechtsbereit!.. In des Rittmeisters Seele war jetzt jeder an¬ dere Gedanke als der an den Dienst er¬ loschen!.. Da, da scholl schon ganz nahe der entsetzliche osmanische Schlachtenruf: „Allah!“.. „Allah!“. Auf beiden Seiten blitzte es auf;.. „ Carabinersalven; .. Pistolenschusse.. Die meisten Szekler des ersten Gliedes räum¬ ten die Sättel, aber auch die Spahis chluckten viel mehr blaue Bohnen, als ihnen lieb gewesen. Nun aber wurden blitzschnell die Säbel blank, klirrten einander und tiefe Wun¬ den klafften dort und hier. Lauter als eine Posaune tönte des Ritt¬ meisters gewaltige Commandostimme durch die Nacht und ermunterte durch sein heldenmüthiges Beispiel sämmtliche Hu¬ saren. Zweifelsohne hätten die Kaiserlichen die große Uebermacht der Türken sieg¬ reich zurückgeworfen, würde sich ihnen nicht auch im Rücken plötzlich das furcht¬ bare „Allah“=Geschrei erhoben haben, wo¬ durch ihnen die schreckliche Ueberzeugung ward, sie seien umgangen „. Die Turken mußten sowohl über die Stärke der Kaiserlichen, als auch über das Terrain, auf welchem das Gefecht stattfand, genau unterrichtet sein, und sie nützten ihre Ortskenntniß nur zu gut aus. Allseitig umringt, kämpften die Husaren wie die Löwen. Leider fruchtlos, denn zu groß war die osmanische Uebermacht. So waren denn bald die Osmanen Sieger und die tapferen kaiserlichen Reiter wur¬ den theils niedergesäbelt, theils erschossen und die Türken begannen schon, sich der noch brauchbaren Pferde zu bemeistern, die Todten oder tödtlich Verwundeten auszuplündern, um ihnen dann die Köpfe abzuschneiden, für deren Auf¬ bewahrung sie besondere Säcke an ihrer Seite hängen hatten. Fortenbach war bei Beginn des Ueber¬ falles ganz nahe dem chon erwähnten Moore vorn im Kampfgewühl. Schon gleich beim Gefechtsanfang wurde ihm sein Kalpak vom Kopfe gehauen. Mehrere Säbelhiebe trafen dann sein unbewehrtes Haupt noch, trotzdem focht er wie ein Ra¬ sender! Wohl fühlte er sein warmes Blut herabrieseln, doch ungeschwächt blieb ihm die Besinnung und ungelähmt durch Er¬ mattung sein fechtgewandter Arm,wo¬ durch sich seine Verwundungen als Un¬ gefährlich erwiesen! Doch Eines war ehr chlimm, denn sein gutes Roß brach, mit einer Carabinerkugel in der Brust zu¬ sammen! Der tapfere Officier raffte sich wieder glücklich auf von seinem Sturze unfern des hohen Schilfwaldes, der sich tief in den Sumpf hineinzog, und hörte da er der türkischen Sprache ziemlich kundig war, wie ein Aga seinen Spahis zurief: „Nur rasch, ehe die Hilfe vom Lager kommt! Keiner ist davongekommen! Schnell noch die Köpfe ab!... Vergeßt Keinen!... Es müssen ihrer genau Zwei¬ hundert sein!.... Trotz des Rittmeisters großer Erregung durchzuckte ihn doch dieser Zuruf, der ihm — kund that, daß die Turken vollkommen über Zahl und Standort seines Piquets unterrichtet waren. Diesem Gedanken ver¬ mochte er aber jetzt nicht nachzuhängen, denn der andere, sich womöglich zu ret¬ ten, vereinigte alle seine Geistes= und Leibeskräfte, über die er noch verfügen konnte. Das Schießen hatte nachgelassen, aber nicht das wüste Geschrei der Os¬ manen; die Dunkelheit nahm stets mehr zu und gab ihm die Hoffnung glücklichen Entrinnens. Nur wenige Schritte lag der Sumpf vom Baron entfernt; dort im Binsendickicht mochte er sich wohl verber¬ gen, doch nur zu nah lag die Gefahr des Versinkens!... Tod also hier — Tod dort!... „Wenigstens rette ich meinen Kopf vor dem schrecklichen, schimpflichen Abgeschnittenwerden“, dachte er, machte

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