Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

32 tigte, würde eine solche Herrschaft seiner elbst geradezu für eine Unmöglichkeit halten. Nachdem der Baron ihn verlassen hatte, band er die Pferde an einem Gesträuch fest und schritt dann dem Opfersteine zu, wo Robert seiner bereits harrte. Ohne zu reden, nahm er eine Büchse nach der an¬ deren und steckte in jeden einzelnen Lauf derselben zwei Kugeln. Dann setzte er selbst die Kupferhüte auf die Pistons und versicherte sich so, daß die Gewehre richtig und ohne Fehl geladen waren. „Du weißt also ganz genau Bescheid Robert. Ziele sicher und ruhig, und machst Du meinem Vertrauen durch einen tüch¬ tigen Schuß Ehre, bist Du heute noch von mir losgesprochen; zum Lohne will ich Dir dann Deine übrige Lehrzeit schen¬ ken. Aber noch einmal — Du ziehst nicht eher den Hahn, als bis Du meinen Schuß gehört hast. — Zur noch größeren Sicher¬ heit kannst Du auch beide Schlösser lösen; doch nicht zugleich, sondern rasch hinter¬ einander, damit Du nicht etwa durch einen Stoß der Büchse fehlst. — Die dichte Weidengruppe, dem Fenster gegen¬ über, wird Dich allen Späheraugen sicher entziehen; dorthin schleichst Du Dich jetzt durch das Gehölz. Ich begebe mich in den Garten; von dort aus werde ich meinen Gott Mann schon fassen. — Nun befohlen, Robert!“ Mit diesen Worten verließ er ihn und schritt, die Büchse über der Schulter, auf einem anderen Weg seiner Wohnung zu. Dort angekommen, wählte er auf einem dem Fenster des Wohnzimmers gerade gegenüber liegenden Hügel, der mit Ge¬ büsch dicht bewachsen war und ihn gegen jede Entdeckung schützte, seine Stellung. Es dunkelte bereits so stark, daß schon Licht im Zimmer war, als er ankam. Da der Hügel kaum 20 Schritte entfernt lag, konnte er von seinem Standpunkte genau — Der Ba¬ sehen, was darinnen vorging. ron saß neben seiner Frau auf dem Sopha, hatte ihre beiden Hände erfaßt, auf die er zuweilen lange Küsse drückte. Deutlich sah Lindner, wie seine Frau sich mit einem Tuche oft die Augen wischte und den Um¬ armungen des Barons wehrte; ein Ge¬ fühl von Mitleid regte sich in seinem tarren, Rache athmenden Herzen, aber nur einen Pulsschlag lang; dann war er wieder der feste, unerschütterliche Mann, dessen Entschluß mit ehernem Griffel in eine Brust gegraben war. Jetzt erhoben sich der Baron und Mar¬ garethe. Noch einmal schien alle Liebe, der sie unterthan waren, mit der nur ihr eigenen Gewalt sie zu ergreifen. Ihre Hände waren fest ineinander geschlungen, Aug in Aug gesenkt mit Blicken, wo nur die Liebe um Liebe austauscht. Dann fielen sich Beide in die Arme und hielten ich eng umfaßt, als wollten sie sich nim¬ mer wieder lassen. Der Baron hatte dem Fenster den Rücken zugewendet, und keine Ahnung der Gefahr, worin Beide chwebten, bewegte ihre Seelen. Der Schmerz einer ewigen Trennung hatte sich allmälig all ihrer Gedanken bemeistert. „Jetzt — jetzt ist der Zeitpunkt!“ sagte Lindner zu sich selbst triumphirend. „So recht, Baron! Du machst mir die Sache leichter als ich glaubte!“ — Langsam, ohne das geringste Zucken, setzte er die Büchse, deren Hähne kurz vorher geknackt hatten, an die Schulter. Ein Druck des Fingers, und — die beiden Racheopfer sanken auf den Boden, durch einen ein¬ — Die zigen Schuß zu Tode getroffen. Kugel war dem Baron durch den Rück¬ grad, Margarethen ins Herz gegangen. Gleich darauf zeigte sich der Mörder im vollen Lichte des Fensters. Ein zweiter Schuß, und auch er stürzte lautlos, nach seinem eigenen Willen und Auftrag, den er seinem eigenen Burschen Robert ertheilt hatte, für immer in den Schnee, dessen reines Weiß das Blut des eben noch Rache athmenden Herzens färbte. 24

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