Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

28 Schmerz überwältigt, verzweifelnd auf ihren Sitz zurück. Schnell und ängstlich hob sich die bewegte Brust unter ihren drückenden Gefühlen. „Wie Du nur heute bist, Margarethe“, sagte der Baron nach einer Pause, „so sah ich Dich noch nie.“ „Weil ich noch nie meine unglückliche Lage, in die Sie mich versetzten, so in ihrem ganzen Umfange erkannte, als eben jetzt. Und — wenn dieser Besuch nicht Ihr letzter ist, werde ich meinem Manne Alles entdecken!“ „Margarethe!“ „Gewiß! So gewiß ich selig werden will! —Einst liebte ich Sie, durfte Sie lieben; jetzt nicht mehr; die Zeiten haben sich geändert —Sie — meine Verhält¬ nisse. — Ich muß Ihnen verbieten, mich ferner zu besuchen. Meiner Bitten achten Sie nicht, darum muß ich befehlen, und wenn Ihnen an meiner Ehre nur das Ge¬ ringste liegt, verlassen Sie mich für ewig. Ich darf Sie nicht mehr bei mir sehen. Sie werden, sobald Sie ruhig darüber nachdenken, es fühlen, daß ich Recht habe. Jetzt sind Sie aufgeregt, von Ihrer Leidenschaft beherrscht, und Alles, was ich thun kann, ist, daß ich Sie bitte, mich augenblicklich zu verlassen.“ „Nein — nein! das ist Dein Ernst nicht; Du willst mich schrecken. Du weißt so gut als ich, daß es unmöglich ist, mich von Dir zu trennen. Margarethe! mich willst Du aus Deiner Nähe verbannen? Raube mir das Licht meiner Augen nimm mir mein Leben, aber laß mich in Deiner Nähe bleiben!“ „Unmöglich!“ entgegnete sie tonlos. „Ja, ich habe Dich geliebt —ich liebe Dich noch! Aber Du mußt mich und meine gegenwärtige Lage ehren. — Wir müssen uns trennen auf immer. Laß Dich erbit¬ — ten! Sieh — auf meinen Knien be¬ schwöre ich Dich, laß es das letzte Mal sein, daß wir allein zusammen sind, oder beim ewigen Gott sei es geschworen: wenn Du mich noch einmal aufsuchst, ohne daß mein Gemahl gegenwärtig ist, sage ich ihm Alles, und er mag dann unser Richter sein.“ „Dann sind wir Beide verloren, Mar¬ garethe —Du und ich!“ antwortete der Baron düster. „Immerhin, ich thue meine Pflicht. Mag ich auch sterben!— Ich will, ich möchte sterben! Gewiß —. glücklich kann ich doch nicht sein — also... „Und ich bin Dir nichts? Mich willst Du opfern, untergehen lassen?!... Mar¬ garethe .... nein, das kannst Du nicht ... Was ich bin, was ich habe, lege ich zu Deinen Füßen, nur sei wieder mein, wie Du es früher warst, Du tödtest mich sonst! Ich kann nicht ohne Dich leben! Verlange Alles von mir, nur laß mir die Hoffnung, Dich wieder zu besitzen!“ „Soll ich meineidig werden?“ fragte sie, ich stolz aufrichtend. „Warum sagten Sie das nicht früher, als es noch Zeit war? Jetzt sind wir verloren! Sie und ich —— wir Alle werden untergehen und Sie sind die Ursache, Sie tödten uns, und einst müssen Sie es vor dem ewigen Richter verantworten.“ „Nun denn“ sagte er, sich erhebend Trübsinn und Schmerz in Blick und Ton, „so will ich denn scheiden von meinem Leben, von meiner ersten, einzigen Liebe aber — noch eine Unterredung gestatte mir — die letzte! Willst Du? Heute kann ich Dir nicht Lebewohl sagen, Du meines Lebens glückliche — unglückliche Hoff¬ nung! Morgen sei es! Der künftige Tag möge mich denn von Allem trennen, was die Erde Werthvolles für mich trägt! Morgen will ich entsagen und sterben!“ Gut denn; also morgen sei es ge¬ sie schieden auf immerdar!“ entgegnete ihm die Hand reichend. „Morgen zum ver¬ letzten Male und nimmer wieder; sprichst Du mir das, Albert?“ □ „Ich verspreche es Dir“, sagte der Ba¬ ron trübe, indem er sie an sich schloß und auf ihren Mund einen langen Kuß preßte. Zwar „Du willst es, und ich gehorche. — gebe ich mit Dir jede süße Regung meines Herzens auf, mit Dir stirbt jede Hoff¬ nung! Du warst mein Einziges, mein

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