26 Busen herab. Sie faltete ihre Hände wie zum Gebete ineinander, dann hob sie so damit ihren dreijährigen Sohn an ihre Brust und bedeckte sein Gesicht mit Küssen, bis sie vor übergroßer innerer Anstren¬ gung laut und heftig schluchzte. Lindner hatte beide Fäuste geballt und auf den Tisch gestemmt und starrte ge¬ dankenlos in dumpfem Brüten vor sich hin. Nach einer Weile, die drückend und peinlich beide Gemüther belastete, erhob er sich aus seiner Stellung, legte die Hände auf den Rücken und schritt mehrere Male im Zimmer auf und ab; dann wendete er sich wieder zu Margarethen. „Weshalb schlug denn die Juno heute Nachmittags so laut und heftig an?“ fragte er, dicht vor sie hintretend. Sichtbar erschrack die Angeredete. „Das weiß ich nicht“ antwortete sie bebend, „ich habe es nicht bemerkt, und — wie konn¬ test Du es hören? Du warst ja abwesend!“ „Das weißt Du nicht? — Hm! das wundert mich! Es muß doch wohl Jemand ins Haus gekommen sein, der hier fremd ist, sonst ist sie ja immer still.“ „Wahrlich, ich habe nichts gehört“ sagte sie noch verwirrter als vorher. „Du mußt wohl das Bellen eines anderen Hundes vernommen haben. Die Juno ist immer still gewesen und hat ihren Platz an der Thür den ganzen Nachmittag nicht verlassen. „Ich sage Dir, die Juno war es; doch mag es Dir wohl entgangen sein. Viel¬ leicht war sie ohne Dein Wissen einen Augenblick draußen und hat in der Ferne Jemand bemerkt, der ihr unbekannt ist Aber, Margarethe“ fügte er, sie schärfer betrachtend hinzu, „Du bist heute wirk¬ lich sonderbar aufgeregt, Du zitterst an allen Gliedern. Geh' zur Ruhe; ich will noch mit Robert in den Forst und den Wilddieben nachspüren. Um zehn Uhr komme ich zurück; Marthe kann meine Zu¬ . rückkunft erwarten. Gute Nacht, theures Weib; Du bist sehr unwohl!“ Bei diesen Worten kußte der Förster sein Frau zärtlich, nahm seine Doppel¬ flinte von der Wand und schritt dann, von dem Jägerburschen Robert und seinen Hunden begleitet, dem nahegelegenen Forste zu Drei Tage darauf, ungefähr um drei Uhr Nachmittags, saß Margarethe in dem großen Zimmer des Forsthauses allein, mit einer weiblichen Handarbeit beschäf¬ tigt. Häufig und unruhig wendete sie das Auge auf den Zeiger der Wanduhr. Ihr Mann war wieder aus dem Hause, mit dem Baron auf einer Ausflucht. Es fing bereits an, dunkel zu werden, wozu der dicht herabfallende Schnee das Seinige that. Ihr Auge war matt und unstät, und das ungewöhnliche, unregelmäßige Wal¬ len des Busens zeigte deutlich von hef¬ tiger innerer Aufregung. Bei dem klein¬ sten Geräusch fuhr sie erschreckt empor von ihrem Sitze, trat ans Fenster und blickte angestrengt in die Landschaft hin¬ aus. Endlich, nachdem sie mehrere Male vergeblich aufgestanden war, ließen sich rasche Tritte hören, die knarrend dem frisch gefallenen Schnee leichte Spuren aufdrückten. Gleich darauf öffnete sich geräuschlos die Thüre, und herein trat der Baron, eben derselbe, den der Förster im¬ mer begleiten mußte. — Schnell und stürmisch eilte er auf Margarethe zu, die aufgestanden war, und schloß sie in seine Arme, indem er ihren Mund mit unzähli¬ gen Küssen bedeckte. „Endlich —endlich halte ich Dich wieder in meinen Armen, theures Wesen, Du Traum meines Lebens, Du Leben meiner Träume! — O, wie langsam sind mir die Stunden verstrichen, seit ich Dich nicht sah! —. Doch nun ist Alles gut, ich habe Dich wieder, mein angebetetes, hei߬ geliebtes Weib, und gern will ich Alles vergessen, was ich leiden muß, wenn ich von Dir getrennt bin.“ Langsam und ernst drückte Marga¬ rethe den stürmischen jungen Mann von sich. „Sprechen Sie nicht so mit mir, Baron, ich bitte Sie! Sie peinigen mich unsäglich durch Ihr Kommen, durch Ihre — jetzt — nicht mehr er¬ Liebe, die ich widern darf Habe ich Sie nicht ge¬ beten, fortzubleiben? — Fühlen Sie nicht,
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