24 der Förster die Pferde einem Reitknech übergeben hatte, schritt er nach seiner Wohnung, die etwa zwei Büchsenschüsse weit vom Schlosse lag. Als er die Thür des Zimmers öffnete kam ihm seine Frau, ein Kind von drei Jahren auf dem Arme, entgegen, um ihn zu begrüßen. Wenn auch freundlich, war sie doch befangen, und der Empfangent¬ behrte gänzlich der Herzlichkeit unddes vertrauensvollen Entgegenkommens wie es sonst zwischen liebenden Gatten tatt¬ findet. Eine gewisse Spannung eine Kälte lag in dem Benehmen Beider die trotz der Mühe, sie zu verbergen, doch sichtbar blieb. — Lindner war ernst, seine Frau schweigsam, und jene unangenehme, drückende Stille trat nach den gewöhn¬ lichen Begrüßungen ein, die wir so oft bei unglücklich Verheirateten wahrnehmen, wenn sie auf Alleinsein angewiesen sind. Die Frau des Försters war für ihre jetzigen Verhältnisse fast zu zierlich und vornehm gekleidet. Ein dunkelbrauner Tuchoberrock hob ihre vollen, üppigen Glieder durch seinen modisch städtischen Schnitt und zeigte eine Figur, die in jeder Hinsicht vollendet von der Natur aus¬ gestattet war, an der ein Bildhauer auch nicht den kleinsten Makel hätte finden können. In vollster und edelster Ueber¬ einstimmung mit ihr war das Gesicht der Frau. Geregelt schön mußte es Jeder nennen, der es betrachtete, und das Un¬ behagliche, das vielleicht gerade in dessen Regelmäßigkeit lag, ja etwas Kaltes, ich möchte sagen Gefühlloses darin, wurde durch eine leichte Blässe der überaus feinen Haut wenigstens gemildert, wenn nicht ganz verwischt. Die Haltung des Körpers, wie auch der Ausdruck des Ge¬ sichtes waren leidend, ergeben und resig¬ nirt, und deutliche Spuren inneren Grames, verborgenen Unglücks sprachen sich im Blick und im Tragen des Kopfes unverkennbar aus Lindner sah seine Frau eine Weile stumm und nachdenkend an; dann fuhr er mit der Hand über sein Gesicht hin, als wollte er einen unangenehmen Eindruck verwischen. „Du hast schon wieder ge¬ weint, Margarethe“, sprach er mit Sanft¬ muth, indem er ihre Hand ergriff. „Bist Du denn wirklich so unglücklich, daß Du mir nie ein heiteres Gesicht zeigen kannst?“ „Ich habe nicht geweint, Du irrst Dich, lieber Mann“, sagte sie, aber dabei war sie kaum im Stande, ihre innere Bewegung zu bemeistern. Die Stimme zitterte merk¬ lich, wie ihre Hand, und unter ihren Wimpern, die das zu Boden geschlagene Auge bedeckten, quollen große Thränen hervor, die sie durchaus nicht zurückhalten konnte und die ihrer Behauptung geradezu widersprachen. Sanft zog er sie an seine Brust, indem er ihr die Wange streichelte und die herab¬ rinnenden Thränen aufküßte „Du willst mich täuschen liebes, trautes Weib“ fuhr er in seinemvorigen Tone fort. „Warum das? Bin ich Dir nicht der Nächste auf der Erde, solltest Du mir nicht unbedingt und ohneZaudern Deinen Kummer vertrauen, dessen Ursache ich nicht ergründen kann, so viel ich auch sinne und mich bestrebe, ihn zu lindern Wahrlich, Du kränkst mich tief durch Deine Verschlossenheit. Du weißt, wie sehr ich Dich liebe, Du weißt, wie nur Liebe zu Dir allein mich bestimmen konnte, diese niedrige Stellung anzu¬ nehmen, in der ich mich befinde, deren Verhältniß mich nicht selten, wenn auch nur mittelbar, in die Classe der Diener stellt. Entdecke mir, was Dich quält, und kann ich, will ich helfen, Deinen Schmerz lindern, sollte es auch mit der größten Aufopferung geschehen! „So lasse mich nie wieder allein, lieber Franz, ich bitte Dich!“ sagte sie laut schluchzend, während ihr Haupt an seine Brust sank; „ich fürchte mich so sehr, wenn ich allein bin.“ „Du bist ein Kind“ entgegnete er, ein Lächeln bekämpfend, indem er sie auf die Stirn küßte und seinen Arm um ihren Leib schlang. „Das aber ist nicht der Grund Deiner Trauer; das kann er nicht ein!“ „Gewiß, gewiß, lieber Mann“, versetzte
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