Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

haben können. Oder, am Ende nicht? schloß mit verdrehten Augen der tückische Mensch. Wohl war nach den ersten Worten des Wucherers die Bäuerin schreckhaft zusam¬ mengezuckt, aber bald faßte sie sich wieder so weit, nachdem sie durch einen Blick des Pfarrherrn wieder ermuthigt worden, den zu „Kravattelwürger“ vollends anhören können. Jetzt jedoch nahm statt Frau Kathi der Geistliche das Wort, um ihm nachdrücklich zu bedeuten, wie unchristlich er an seiner Schuldnerin gehandelt habe, und daß das Einziehen des Geldes gerade jetzt zur Zeit des Scheunenbrandes durch¬ aus nicht von christlicher Nächstenliebe zeige. Doch der abgefeimte Gutsmarder hatte auf diese Vorstellung nur ein spöttisches 12 19 Lächeln, und er vermochte fast seine grim¬ mige Schadenfreude nicht zu verbergen daß die Roßbergerin nicht zahlen könne 0 „Ich möcht's schon von der Bäuerin selber hören, ob sie den Schuldschein einlösen will oder nicht!“ entgegnete er und suchte aus seiner dickbäuchigen abgeschmierten Brieftasche den Schuldschein derselben hervor. „Ihr kennt doch dieses Papier¬ S 2 chen?“ höhnte der Wucherer und hielt Frau Kathi den so bedeutungsvollen Re¬ vers halb über den Tisch entgegen Mit großer Anstrengung brachte die ge¬ ängstigte Frau nur die Worte hervor „Habt doch Erbarmen und Geduld, bis das Getreid' eingebracht ist!“ Der „Kra¬ vattelwürger“ versetzte aber nur harten Tones: „Kann's nicht, Bäuerin! Kann's wahrhaftig nicht. Hättet halt die schönen 24

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