Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1902

82 voller Thätigkeit im Dienste des Landes und dreier Könige, aus Gesundheitsrücksichten sein Abschieds¬ gesuch ein, das ihm vom König in den gnädigsten wärmsten und huldvollsten Ausdrücken gewährt wurde. Einstimmig ist die Anerkennung, die dem egensreichen, vaterländischen Wirken des greisen Staatsmannes gezollt wurde, der die Interessen einer engeren Heimat mit denen des Reiches stets in Eintlang zu bringen verstand. Ganz anders waren die Gefühle, welche in Württemberg die im März 1901 erfolgte plötzliche Beurlaubung des Nachfolgers Mittnacht's, des Ministerpräsidenten und Kriegsministers Schott von Schottenstein erregte, da die Ursache dieser Beurlaubung weit ab vom politischen Gebiete in einer peinlichen Privataffaire des Beurlaubten zu uchen war. Am 16. Juni 1901 wurde vor dem Reichs¬ tagsgebäude in Berlin das von Reinhold Begas geschaffene Bismarck=Denkmal feierlich ent¬ — Am 20. Juni fand in Kiel die Ent hüllt. hüllung des Denkmals des Großen Kur fürsten statt. Am 2. Juli 1900 erfolgte bei Friedrichshafen am Bodensee der erste Aufstieg des Zeppelin'schen Luftschiffes. Der Aufstieg gelang, der Abstieg ge¬ taltete sich aber ziemlich bedrohlich. Ein zweiter Aufstieg am 17. October 1900 gelang besser. Nachdem der Ballon ¾ Stunden lang in einer Höhe von 600 Metern balancirt und in der Nähe von Seemoos verschiedene Drehungen und Wendungen ausgeführt hatte, ist das Fahrzeug nach mehr¬ fachen anderen gelungenen Manövern, einen Kilo¬ meter von Manzell entfernt, glücklich gelandet Steht auch ein großer Theil der Fachleute dem Zeppelin'schen Unternehmen und dessen Be deutung für die Zukunft der Luftschifffahrt trotz dieses gelungenen Versuches ziemlich skeptisch gegenüber, so unterliegt es doch keinem Zweifel daß diese Versuche — so weit sie eben gelungen einen weiteren markanten Fortschritt auf dem Wege zur Lenkbarkeit des Luftschiffes bedeuten. Nach einer Depesche aus Madrid vom 16. December 1900 scheiterte das deutsche Schul¬ schiff Gneisenau“ im äußeren Hafen der Insel Malaga. Ein großer Theil der Besatzung, weit 15 über 100 Mann, ertrank. — Am 25. April 190 ereignete sich in der großen chemischen Fabrik „Elektron“, in Griesheim bei Frankfurt a. M., in welcher ein Theil des rauchlosen Pulvers für die deutsche Armee erzeugt wurde, eine furcht¬ bare Explosion. Man zählte am Tage der Ex¬ plosion 50 Todte und 140 Verwundete. Am 7. Juli 1900 starb zu Hamm in West¬ phalen der frühere preußische Cultusminister Adalbert Falk, der hervorragendste Mitarbeiter Bismarck's in den Tagen des Culturkampfes. Er war 1827 in Schlesien als der Sohn eines Pastors geboren. Nach dem Rücktritte Mühler's 1872 zum Cultusminister ernannt, befreite er u. A durch das Schulaufsichtsgesetz die Volksschule von jedem fremden Einflusse. Er errang sich durch sein mannhaftes Verhalten im Culturkampfe eine ungeahnte Popularität im damals in seiner ungeheuren Mehrzahl fortschrittlich gesinnten Am 9. Juli verschied in Berlin Deutschland. — plötzlich der am 17. Juli 1854 geborene Pro¬ essor an der Berliner Akademie, Max Koner, einer der besten modernen Porträtmaler. Am 7. August erlag in Berlin der Reichstags¬ bgeordnete Wilhelm Liebknecht, einer der nam¬ haftesten und einflußreichsten Führer der deutschen Socialdemokratie, einem Schlaganfalle. Er war — Am 11. im Jahre 1826 in Gießen geboren. August starb in Berlin der 1835 in Mainz ge¬ borene Baritonist Franz Betz, einer der besten — Am 25. August erlag in Wagner=Sänger. Weimar der excentrische philosophische Schrift¬ steller Friedrich Wilhelm Nietzsche einem Schlaganfalle, nachdem sein Genius bereits im Jahre 1889 der Nacht des Wahnsinns anheim¬ gefallen. Seine philosophische Lehre brachte der „geistige Hauptführer der Moderne“ der „Classiker des Aphorismus“ in seinem Werke „Also sprach Zarathustra“ zum „programmatischen so ein Nekro¬ Ausdruck“. „Nietzsche war“ logist des Verstorbenen — „die große Pikanterie der Zeit: eine vornehm machtvolle Individualität, welche das moralische Empfinden auf das praktisch unbrauchbare Gebiet jenseits von Gut und Böse hinüberlockte und damit eine geistige Unruhe tiftete, wie sie seit den Tagen des höchsten Schopenhauer=Enthusiasmus nicht mehr da war. Nietzsche wurde am 15. October 1844 in Röcken bei Lützen als Sohn des Pastors Karl Ludwig Im November starb zu Nietzsche geboren. Dresden der am 6. Februar 1845 in Gießen geborene Autor des „Besuches im Carcer“, Ernst ein liebenswürdiger Poet, ein glück¬ Eckstein, Am 5. December erlag in — licher Humorist Aibling der 1844 in Köln geborene Maler Wilhelm Leibl, einer der kraftvollsten und be¬ deutendsten Vertreter der deutschen Kunst, einem Am 18. December starb zu — Herzschlage. München der Maler und Zeichner Eduard Ille, Professor der Akademie der bildenden Künste, der Erfinder der beweglichen Bilderbücher, im Am 22. December 1900 Alter von 67 Jahren. — tarb auf seiner Besitzung Quellendorf der 1810 geborene Graf Blumenthal, der älteste Feld¬ marschall der deutschen Armee. — Anfangs Jänner 1901 verschied in München der 1842 auf der Insel Tenos geborene Maler und Professor an der Münchener Akademie Nikolaus Gysis Am einer der begabtesten Piloty=Schüler. 10. Februar endete in München durch Selbst¬ mord der große Hygieniker, Professor Max v. Pettenkofer, der ehemalige Präsident der önigl. baierischen Akademie der Wissenschaften. Er war im Jahre1848 zu Lichtenheim a. d. Donau geboren. — Am 8. März starb auf Schloß Hal¬ berg bei Neunkirchen der im Jahre 1836 in Saarbrücken geborene Reichstagsabgeordnete und Großindustrielle Freiherr v. Stumm; er war

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