Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

sie so unendlich bitter, von ihm, den Müller verkannt zu sein. — Da hatte erst ihre Mutter, dann die Burschen oben im Wirthshause vom Kündigen ge¬ sprochen. Sie wußten eben nicht, was für Verena die Wolfsmühle war. Eine traute Heimat, ein Ort, an dem ihr Herz mit jeder Faser hing. Wenn sie wirklich fort mußte von ihm, von Lieschen, dem — — sie dachte diesen Müller, dann qualvollen Gedanken nicht mehr aus aber heiße Thränen rannen über ihre Wangen. Es dunkelte bereits, als sie an der Hausesschwelle den Schnee vom Saume ihres Rockes schüttelte und dann die noch von keinem Licht erhellte Wohnstube be¬ trat. Ein freudiger Aufschrei drang an ihr Ohr. Ehe sie sich's recht versah hatte Lieschen ihre Knie umschlungen und sie unter Weinen und Lachen zum nahen Bank gezogen „Verena, gelt, Du bleibst da, bleibst jatzt allweil bei mir?“ rief das arme Kind, welches den ganzen Nachmittag in Angst und Verlassenheit zugebracht hatte. „Wo ist denn der Vater?“ flüsterte Verena, nachdem sie das heiße, weiche Gesichtchen der Kleinen zärtlich abgeküßt. „Er is schon dahoam, bei den Knecht'n steht er im Hof hint'n. Und es is so kalt da in der Stub'n, wir hab'n nix zum Ess'n auf d' Nacht, weil der Vater die Base ausg'schafft hat. Sie darf nimmer komma, er is so stark zornig auf sie. Und denk' Dir's, die Base hat recht g’woant wie sie davong'ganga is. O, mir is so hart g’wes'n, weil Du auch so lang net kemma bist!“ So erzählte und klagte Lieschen in einem Athem, um schließlich all ihre Angst und Leid an Verenens Brust recht herz¬ haft auszuweinen. Verena wartete zitternd und bangend auf den Muller. Als aber eine Viertel stunde verfloß, ohne daß er erschien, er¬ hob sie sich, um an Monie's Statt die hausfraulichen Arbeiten zu übernehmen Sie zündete die über dem Tische hän¬ gende Lampe an, machte Feuer und traf 17 die nöthigen Vorbereitungen für das Abendmahl. Lieschen setzte sich auf einen Stuhl neben dem Herde und sah ihr seelenvergnügt zu. Endlich — Verenens Herz pochte schier zum Zerspringen — öffnete sich die Thüre. Der Müller trat ein, that ein paar Schritte vorwärts und blieb dann wie angewurzelt stehen. Sein Blick hing mit seltsamem Ausdruck an ihrem —Wollte er etwa erblaßten Gesicht. jetzt seinen nach Monie's Fortgang ge¬ faßten Entschluß zur Ausführung bringen! Er konnte es nicht. Etwas in ihm, das mächtiger war als sein Zorn, sein verletzter Stolz, verschloß ihm den Mund Verena wartete vergeblich auf eine Anrede. Da unterbrach Lieschen die peinliche Stille mit dem frohen Rufe: „Siahgst, Vater, sie is doch wieder g'kemma und hat g’sagt, daß sie allweil dableibt bei uns.“ Jetzt lachte er leise und spöttisch auf „Was für a Glück!“ sagte er. „ hab’ schon g’glaubt, i muaß heut' selber Supp'n kocha. Verena faßte diese Worte als Rüge für ihr langes Fortbleiben auf und tammelte eine Entschuldigung. Er schüt¬ telte abwehrend den Kopf. „Laß 's gut sei', das. I hab g'moant Du kimmst überhaupt nimmer. „Warum sollt' i den nimmer kemma, Müllner?“ „Na mei, den Weibsbildern fallt oft über Nacht was ein, man kann sie nie dergründ'n. Die Monie hat mir das wieder bewies'n heut'. Es is nur guat daß's trotzdem noch all'weil Leut' gibt, die mich net im Stich lass'n. Sein spöttischer Ton verletzte sie mehr, als harte Worte es gethan haben würden. Mit zuckenden Lippen fragte sie ihn, was sie denn eigentlich verbrochen daß man ihr von allen Seiten so hart begegne? „Sag' mir's doch, Müllner!“ bat sie, indem sie seine Hand ergriff. „Wenn ebb's Schlechts g'than hab' so will i es guat machen, so weit i kann. I 2

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