Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

14 Sie brach in heftiges Weinen aus und die kleine Liese weinte des Beispiels wegen laut mit. Dann warf sich Monie zu letzterer nieder, preßte sie an sich und stöhnte: „O das Dirndl, das Dirndl! I muaß geh'n von eahm und hab's so gern g’habt, fast so gern, als wie Di, — Hauser, Du kennst Di' wohl Hauser. elber net, bild'st Dir am End' nur ein, denk daß Du die Dirn gern hast — nach, b'sinn' Di! — Is net bei Dir und Dein' Kind der Platz, auf den i vor bei ganz'n Welt das erste Recht'n hab: der Hauser, i verzeihg Dir All's und leid All's von Dir, nur sag, daß i da¬ bleib'n soll!“ Sie hob die Hände bittend zu ihm auf und er sah mit einem Blick, in welchem Mitleid, Pein, Verachtung und Ekel ich zugleich spiegelten, auf sie nieder verzeihg mir's, Monie,i kunnt 9 Di net liab'n und wenn's mei' Leb'n, Hab und Guat gelt'n thät'“ mei Obwohl sie keine andere Antwort hatte erwarten können, war sie jetzt doch wie vernichtet. Sie preßte ihr Gesicht an Lieschens Brust und als dieses, geängstigt durch ihr verzweifeltes Gebaren, sich los¬ machte und hinter den Vater flüchtete, sprang sie auf und eilte nach einem letzten wildflammenden Blick auf ihn aus der — Eine halbe Stunde später sah Stube. der Müller sie, dicht in einen Shawl gehüllt, das Haus verlassen. Er athmete auf, während Lieschen, auf einem Schem¬ mel neben dem Tische kauernd, leise zu schluchzen begann. „Is Dir leicht hart, daß die Base furtgeht?“ fragte er die Kleine etwas erschrocken. „Ja, weil die Verena auch nimmer dableib'n derf,“ war die weinerliche Antwort. „Die Verena!“ — Er stützte den Kopf in die Hand und starrte finster vor sich hin. Wieder tönten ihm Monie's höhnische Worte: „Es gibt ihr a Gaudi ab, daß der stolz' Wolfsmüllner in sie vernarrt is, derweil sie sich mit an Andern über ihn lustig macht“ in's Ohr. Zorn, Scham, Schmerz erfüllten sein Inneres und er dachte wirklich daran, Verena ebenfalls fortzuschicken. Mochte sie ihrem Mühlburschen, welcher schon vor acht Tagen gegangen war, nachziehen, oder zu ihrer Mutter zurückkehren, es war ihm gleichgiltig. Dann aber sollte sich noch ein Mensch erfrechen, ihn irgend einer Schwäche zu zeihen. Er würde ihn, das ahm er sich zähneknirschend vor, zu Boden schlagen. Immer heißer begann es in der Brust des Mannes, der sich zum ersten Mal in seinem Leben tief gedeh¬ müthigt fühlte, zu stürmen. Mit einer Art wilder Freude sah er Verena's Rückkehr und dem Augenblicke entgegen, wo er sie durch alle ihm zu Gebote stehende Strenge und Härte überzeugen wollte, daß sie sich ämmerlich getäuscht in dem Glauben, er wäre in sie vernarrt. Rastlos durchschritt er das stille Müllerhaus in allen seinen Räumen und scheuchte zuletzt die beiden Mägde, Ros'l und Hanne, welche sich mit Nähen beschäftigt hatten, aus ihrer Kammer an die Abendarbeit. Hanne meinte, der Müller müsse heute wohl zu viel getrunken haben, weil er so entsetzlich herumwirthschafte, und sie von Lieschen erfuhr, daß die Base als und davongegangen war, schlug sie auf Hände zusammen und jammerte: die „Wann der so anfangt, nachher sand g’wiß auch nimmer lang dahoam in wir Wolfsmühl'!“ der Verena nahm von ihrem Mütterchen Abschied, nachdem sie demselben Alles geklagt, was ihr Herz bedrückte. Die Ge¬ ässigkeit Monie's gegen sie und das fin¬ tere Wesen des Müllers, der doch früher immer so freundlich zu ihr gewesen war. Sie warf noch einen letzten, traurigen Blick auf die kleine, ärmliche Stube, in der die alte Frau wohnte und darbte, auf das faltige, bleiche Antlitz, welches ie so innig liebte, und sagte dann, mit ihren Thränen kämpfend: „O Muatta, i hab' mir's vor drei Jahr'n anders ausg'malt, hab' net denkt, fremd's Brot so bitter zum Ess'n daß 7 und Geld so hart zum Derspar'n wär'.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2