Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

30 frischen Wangen und machte sie wider ihre Absicht so herb, daß nicht nur die Dienstboten, sondern auch der Müller eines Tages mit Verwunderung bemerkten, wie sie auffallend rasch eine essigsaure, alte Jungfer geworden. Es war am Nachmittag eines kalten Wintersonntags, als sich Verena auf den Weg machte, ihre Mutter, welche auf einem unweit des Bergdorfes gelegenen Bauernhof bei Verwandten lebte, wieder einmal zu besuchen. Monie und Liescher saßen in der warmen Müllerstube und während erstere ihr einen haßerfüllten Blick durch das Fenster nachsandte, konnte die Kleine sich nicht enthalten, zärtlich hinauszurufen „Pfüat Gott, pfüat Gott, Verena Kimm fei' bald wieder! „Ob Du net gleich stad?) bist, Du dumm's Ding!“ zürnte Monie, sie vom Fenster wegzerrend. „Woaßt denn net, daß die Verena a boshafte Person is, die nimmer lang dableib'n derf bei uns! Lieschen machte ein erschrockenes Gesicht. „Nimmer lang dableib'n, Base? Geh¬ sie etwa heut' schon davon? „Heut' noch net, aber doch recht bald Sohoff' i wenigst'ns.“ „Und heut' geht sie halt dem Vater entgeg'n gelt? „Dem Vater? O Du Tollpatsch, den mag sie erst gar nimmer, weil sie zu boshaft is. „Das glaub i net, Base. Boshaft is die Verena net, sie is recht brav, und i sag's dem Vatern schon, daß sie noch lang, lang dableib'n derf.“ „Das thust net!“ verbot Monie mi bösem Blick. „I möcht' Di' sunst gar nimmer und der Vater thät' Di' schlag'n. „Wann i aber zum Himmelvater in 7 der Kircha drob'n was sag'? „Der kann die Verena erst recht nimmer leid'n! — Jatzt gib aber ama an Fried' Dirndl, sunst kriegst mir die neue Docka net, die i Dir heut im Dorf *) Still. 11 drob'n 'kauft hab'. Und sie wär' doch so schön, schau nur her. Mome zog aus der Tasche ihres Kleides eine kleine Puppe, bei deren Anblick Lieschens Augen in heller Freude erglänzten „O — ol Gib mir s’, Base, gib mir dieDocka!“ „Ja, wenn Du d' Verena nimmer magst und nimmer red'st von ihr.“ Die Kleine ließ rasch die begehrlich erhobenen Hände sinken. Auf ihrem Gesicht malte sich bittere Enttäuschung. Dock nicht lange, so drängte der lebhafte Wunsch, die Puppe zu besitzen, alle anderen Gefühle in ihrem kindlichen Herzen zurück und sie ging, wenn auch etwas zagend, auf die Bedingung ein. „Jatzt muaßt aber der Docka auch an Nam' geb’n, Liese,“ sagte Monie „Wie soll s’ denn hoaß'n?“ „Verena!“ „Ach Du schlimm's boshaft's Dirndl was hab' i denn g'sagt! Aug'nblickli gibst mir iatzt die Docka wieder! hoaßt sie „Na, so hoaßt sie — Base!“ verbesserte Lieschen mit ängst licher Hast. „Das geht auch net. Sag'n wir amal, sie hoaßt Liese, wie Du. „Liese, ja. O mei', die schöne Docka Wie wird der Vater schau'n, wenn er s’ siahgt!“ In diesem Augenblicke ertönten schwere Schritte draußen im Flur und der Müller trat gleich darauf in die Stube. Er schol das Kind, welches ihm mit der Puppe in der Hand jubelnd entgegeneilte, ziem¬ lich unsanft beiseite, warf seinen Hut auf die Bank und setzte sich dann wortlos am Tische nieder. Monie wollte ihm das Essen auftragen, doch er winkte ihr ver¬ drießlich ab. „Laß 's geh'n, i mag nix,“ sagte er. „Soll i Dir etwa Bier bringen, Hauser?“ „Nein. Eine Weile stand sie unschlüssig, mit krampfhaft verschlungenen Händen vor ihm. Sie merkte an dem düstern Blick

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