Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

10 „Vielleicht woaß i, warum: Du hast an Andern liab, Verena. I wünsch' Dir nur, es möcht' net zu Dein' Unglück sei'.“ Er zog ihr die Hände vom thränen¬ feuchten Gesicht und sah ihr mit einen mitleidigen Blick in die Augen. Dann schob er sie sanft nach dem Ausgange hin. Keines von Beiden hatte bemerkt daß während des ganzen Vorganges zwei Augenpaare durch die in der Thüre angebrachte Glasscheibe geblickt hatten Das eine boshaft, triumphirend, das andere mit schmerzlichem, hoffnungslosem Ausdruck. Und während Verena leise agte weinend die Treppe hinabschlich, in der Stube unten Monie zu dem er¬ regt auf= und abschreitenden Müller: „Net wahr, Hauser, jatzt hast Du Dich selber überzeug'n könna. I woaß 's aber schon lang und nur, weil i die Dirn früher gern g’habt hab', han i Dir 's net sag'n woll'n. Freili', jetzt ist die G'schicht' schon zu weit, und Du bist unter einer schwer'n Sünd' verpflicht't daß Du zwoa Liabsleut' net unter bar Dach geduld'st. „Ja, er soll aug'nblickli' schau'n, daß er aus mein' Haus kimmt!“ rief der Müller wild. „Wer? Der Mühlbursch? —O Hauser wo denkst denn hin!“ war Monie's er¬ schrockener Gegenruf. „Wem hast denr dann in der Mühl', beim Werk, zu der Kundschaft? O, den kannst net so Knall 1 und Fall ausschaffen! Eherd' Verena „Ja, d' Verena!“ schrie er so höhnisch daß sie erbleichte. Sofort aber bezwang er sich wieder und fügte in etwas ge¬ mäßigterem, doch zitterndem Tone hinzu „So schaff' die Verena aus, daß ama Fried'n wird auf der Welt! „Ach Gott, es muaß ja sei', es is wegen der Sünd'!“ schluchzte Monie indem sie aus der Stube ging. Käum aber war sie fort, als der Müller ihr wieder nacheilte und sie mit heiserer Stim¬ me zurückrief. „Es geht net, Monie, es derf net sei'“ sagte er, sich zur Ruhe zwingend „Der Zorn, noch mehr Dei' sinnlose Lamentation hätt' mi bald um den Ver¬ tand bracht. — Bedenkst Du denn gar net, was aus dem Dirndl würd' wenn sie so schnell aus'm Haus müßt' Ihr guter Ruf wär' für alle Zeit dahin und das hat sie am End' doch net ver¬ dient. „Von mir aus thu', was D' willst: Du bist der Herr und wirst es einst verantwort'n müss'n!“ erwiderte Monie bebend vor Wuth. „Mei' Erfahrung is die, daß es noch nie a gut's End' g'numma hat, wo zwoa Liabsleut' in oan' Haus bei einander g’wes'n sind. Paß auf, wie groß die Schand noch wird! „Dem Mühlbursch'n sag' i heut' bis in vierzehn Tag den Deanst auf. Bis dahin wird sich schon an Andrer für ihn ind'n. Du aber, Monie, von Dir ver¬ lang' i, daß Du Dir net a Wort über die ganze G'schicht' entschlüpfa lass'st. Es is ja net nothwendi', daß man sie g’rad von der schlimmst'n Seit'n be¬ tracht't, denn der Fritz stammt von brav'n Müllnersleut'n her und kann das Dirndl heirat'n.“ Der Müller hatte seine gewohnte Ruhe wieder erlangt und sprach in kühlem gleichgiltigem Tone. Monie dagegen ver¬ mochte es trotz aller Anstrengungen nicht ihre leidenschaftliche Erregung und ihren Haß gegen Verena zu bemeistern. Wal es ihr doch heute vollends klar geworden daß er, um dessentwillen sie eigentlich hier war und den sie mit verzehrender Gluth liebte, die gleichen Gefühle für diese arme Magd hegte, für sie selbst aber nicht das Mindeste empfand. Es war ihr wohl gelungen, Verena ihm unmöglick zu machen, nicht aber, sie aus dem Hause zu entfernen. Und so lange sich das Mädchen hier befand, würden, das wußte sie genau, alle Bemühungen, ihn für sich zu gewinnen, vergeblich sein. Er mochte sich den Anschein der Gleichgiltigkeit geben, mochte Verena sogar unfreundlich behandeln, Monie wußte doch, wie es in seinem Innern aussah. Und das raubte ihr den Schlaf, bleichte ihre sonst so

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