2 konnte er nichts Klügeres thun, als sie zur Wolfmüllerin zu machen. — Gleich in den ersten Tagen nach der Hochzeit bemerkte er, wie sie einen wohlthätigen Einfluß auf die Dienstboten und das ganze Hauswesen ausübte, wie manche Uebelstände schwanden unter ihrem stillen, freundlichen und klugen Regiment und wie bald überall die beste Ordnung herrschten. Er fand es nur sehr selbstver¬ ständlich, denn um dieser angenehmen Dinge willen hatte er sie ja geheiratet Eine Täuschung der Hoffnungen, die er auf sie gesetzt, würde er bitter an ihr gerächt haben. So behandelte er sie so freundlich, wie es ihm bei seinem etwas rauhen und heftigen Wesen nur möglich war freute sich mit ihr über das kleine „ Madchen, mit dem sie ihn im zweiten Jahre der Ehe beschenkte, erschrack aber bis ins Innerste, als sie bald darauf in eine schwere Krankheit verfiel, aus welcher sie der Tod nach zwei Monate langem Leiden erlöste. — Da stand er nun, ein geschlagener Mann, der aber nichts weniger war, als demüthig ergeben in sein Schicksal. Nein, wüthend war er, über Gott, sich und alle Welt, über jene Leiche im Sarge, auf welchem die in Kreuz¬ form aufgepappten Wachslichter so unruhig flimmerten und zuckten. Er konnte ihn nicht lange ansehen und wandte den düstern Blick über sich, zum Giebel des grauen Hauses empor, von wo ein holz¬ geschnitzter, riesiger Wolfskopf zähne bleckend herabgrinste. Er hätte dieses uralte Wappenzeichen mit Steinen bewerfen mögen, seiner höhnischen Häßlichkeit wegen die ihm doch früher so oft Freude gemacht aus dem Grunde, weil sie apart war, wie die Wolfsmüller selber von jeher. Da begann hinter den Fenstern des Erd¬ geschosses plötzlich ein Kind zu schreien und— so unangenehm solche Töne das Ohr sonst berühren mögen — dem des Müllers klangen sie wie liebliche, be¬ sänftigende Musik. — Der Wagen mit dem Sarge setzte sich in Bewegung, die Leidtragenden schlossen sich ihm laut und feierlich betend an, er aber, der Müller, mußte noch einmal hinein und sehen, ob das, was die Todte ihm hinterlassen, im Stande sein würde, ihn in Zukunft zu trösten und mit dem Schicksal zu versöhnen. Einetwa achtundzwanzigjähriges Mädchen seine Schwägerin, überreichte ihm das chreiende kleine Geschöpf, das aber sofort ruhig wurde, als er es mit seinen großen Händen emporhob, den Blick finster orschend daraufheftend. Als ob es gewußt hätte, was von dieser Minute abhing, verzog es plötzlich das Mündchen zu einem breiten, behaglichen Lächeln und die winzigen Händchen tappten unsicher nach seinem dunklen Schnurrbart. Er nickte, preßte das Kind heftig gegen sein Gesicht und stürmte dann hinaus, dem Leichenzuge nach Sonst pflegt ein Witwer, der noch in den besten Jahren steht und ein vermög¬ licher Mann ist, für Väter erwachsener Töchter und für diese selbst der Gegen¬ stand manch geheimer Wünsche und Pläne zu sein. Wenn das bei dem Müller, welcher doch die Vierzig noch nicht über¬ chritten hatte und ein schöner, stattlicher Mann genannt werden durfte, nicht der Fall war, so hatte es seinen besonderen Grund. Es galt nämlich für völlig ab¬ gemacht, daß er zu seiner zweiten Frau keine Andere nehmen würde, als seine Schwägerin Monie, die sich mit soviel Bereitwilligkeit und Liebe des Müller¬ haushaltes, sowie der mutterlosen Kleinen angenommen. Man hatte sich ja bei einer ersten Verheiratung schon höchlich darüber gewundert, daß seine Wahl nicht auf sie, die älteste und schönste der Weiherbauerntöchter gefallen und daß er die schlichte, stille Elisabeth ihr vorgezogen Still und eingezogen war die Monie auch. Manche nannten sie sogar bigott, denn es gab keine fleißigere Kirchen¬ besucherin, keine eifrigere Beterin als sie. Auch behauptete man, daß sie mit dieser im Allgemeinen nichttadelnswerthen Eigen¬ schaft die desto unangenehmere vereinige, sich selbst über allen Tadel erhaben zu wähnen und Andere derselben für umso bedürftiger. Die Dienstboten, denen sie
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