Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

110 Thekla sinnend, „er trug, wie immer, über sein Gewand einen langen Arbeits¬ kittel zum Schutz desselben, da konnt' ich wohl nicht sehen, was er anhatte! „Ja, das ist wahr“, stimmte der Zeugwart da ein, „deshalb erinnere ich mich auch nicht, wie der Meister gekleidet war; den Arbeitskittel hat er wohl vor dem Weggehen abgelegt, denn der Meister sollt' ja heute wiederkommen zur Arbeit der Kittel ist auch oben, im Waffen¬ saal — und weggehen sah ich Meister Caspar nicht! „Ei, da fahr' doch der Donner drein“ grollte mürrisch der Pfleger, „jetzt wird mir's zu bunt! Gäb' wohl noch der Mittel, die Wahrheit zu ergründen, noch andere, will aber meine Zeit nicht am End' auch noch nutzlos hier vergeuden Burgvogt! Der trat eilends vor den Pfleger. „Einen Bündel echter Haslinger herein“ gebot der, „wollen sehen, ob die Sache so wird gehen Der Klingenschmiedin ahnte Böses sie wollte reden, bitten, aber der Pfleger hieß sie barschen Tones schweigen. Auch die Stöcke waren schon da. Des Pflegers bärtiger Mund umspielte ein höhnisches Lächeln. „So“, meinte er, „wollen ein Ende machen! Schuld an der ganzen unlieb¬ samen Sach' ist doch nur Meister Caspar durch seinen Neid gegen seine Brüder Hätt' er sie mit einer Kleinigkeit beschenkt die wären jetzt über alle Berge und wir hätten Ruhe vor den Landstreichern! So wird der Meister Caspar sein unbrüder liches Betragen anjetzo auch büßen da aber hier drei sind, so alle Meister Caspar sein wollen, soll ein Jeder auch als Meister Caspar behandelt werden und dessen Strafe tragen: Burgvogt, den drei Meistern fünfzig auf jede Fußsohle!“ Frau Thekla schrie entsetzt auf, der Stadtrichter hielt sie aber am Arme fest und beruhigte sie, die drei Buckligen machten verdutzte Gesichter und schienen über etwas unschlüssig zu sein, ehe sie sich aber fassen konnten, lagen sie auch schon am Fußboden des Saales, auf dem Rücken eines Jeden kniete ein Söldner. Andere von der Wache hielten ihnen die Beine in die Höhe, im Nu waren ihnen die Schuhe ausgezogen und die Stöcke sausten, kräftig geschwungen, auf ein Zeichen des Burgvogts durch die Luft. und die Hiebe fielen hageldicht auf die Fußsohlen der rechten Beine der drei feindlichen Brüder, daß es nur so klatschte. Die so Mißhandelten brüllten vor Schmerz und baten um Schonung umsonst „Fünfzig“, zählte der Burgvogt und die drei Stöcke ruhten „Nun, fragte der Pfleger höhnisch „wer von Euch ist der Meister Caspar? „Ich, ich, ich“ schrieen wieder alle Drei zugleich Soo, meinte Herr Irenfried und strich den krausen Bart, „also die anderen Fünfzig, Burgvogt Wieder klatschte es: ein=, zwei= drei¬ mal, diesmal auf die Sohlen der linken Beine „Halt, halt“ schrie plötzlich einer der Geschlagenen, „Herr Pfleger, Gestrenger Herr Pfleger! „Was soll's? uhr ihn dieser an. „Mir kommer keine Schläge zu ich bin nicht Meister Caspar!“ „Wer denn?“ schrie der Pfleger. Sein Bruder — der Melchior“ heulte der Kleine. „Weg mit ihm“, gebot der Pfleger“, „und weiter drauf Während einige Söldner den Mel¬ chior aufrissen und der vor Schmerz winselnd auf einem Bein, gestützt von seinen Begleitern, davonhüpfte, klatschte es wieder unter den Stöcken weiter und — fünf der Burgvogt zählte ruhig: „vier sechs — sieben „Einhalten, Gnade, gestrenger Herr Pfleger!“ brüllte jetzt plötzlich wieder einer der Geschlagenen. „Ei seht“ lachte Herr Irenfried, „Du bist wohl der Balthasar? „Ja, ja, der bin ich“ schrie dieser „hätt's nit gesagt, aber meine heilen Beine sind mir lieber als die Klingen¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2