Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

in der Kleidertruhe nachsehen, ob sich was findet, damit sie nicht wie die Land¬ streicher aussehen, die im Lande herum¬ stelzen —uns zur Schande!“ „Oh, tausend Dank der Güte, die Frau Schwägerin ist die gute Stunde selber“, riefen die Zwei und wollten der Klingenschmiedin die Hand küssen, Frau Thekla wehrte aber mit Abscheu ab und sagte: „Schon gut, dankt es dem Zufall, daß der Caspar nicht zu Hause ist, sonst hätt' ich seinen Willen wohl befolgt geht nur mit der Crescenz und labt Euch Sie wandte sich dem Hause zu und die Magd führte die zwei sonderbaren Käuze in die hintere Stube, tischte ihnen dort Fleisch, Brod und Wein auf, und während es sich die Zwei schmecken ließen, frug sie dieselben um das und jenes und erfuhr, daß sie Melchior und Balthasat hießen und ganz erstaunlich vom Mi߬ geschick verfolgte Leute seien. Dabei ver¬ langten sie wieder Wein und nahmen die Kleider, die ihnen Frau Thekla schickte, dankend an. Als die Magd bereits den dritten Krug Wein brachte, hatten die Zwei sich indeß in des Meisters Kleider gethan und die brave Crescenz konnte sich nicht genug verwundern, wie täuschend ähn¬ lich sie jetzt dem Meister sahen. „Zum Verwechseln, Frau“, sagte sie dieser, „rein zum Verwechseln, ich thät' sie nicht von einander kennen, käm der Meister jetzt hinzu und setzt' sich neben sie hin — oh Ereignis, was erleb' ich noch alles! „Höchstens eine Maulschelle, wenn Du so viel plapperst“ sagte Frau Thekla, „sieh zu, daß Du sie wieder wegbringst! Gesehen hab' ich sie, weiters haben wir anderes zu thun, als mit den Schelmen zu tratschen! Die Crescenz ging und gab dem Melchior und dem Balthasar deutlich zu verstehen, daß sie nun wieder gehen könnten, allein die Zwei lachten nur und meinten, hier wär' es gut sein, und ihres Bruders Wein sei ein echter Tropfen, sie solle nur noch rasch den Humpen 103 füllen, was denn auch geschah. Da sie aber auch später noch nicht gehen wollten, mußte Frau Thekla sich dazu verstehen, ihre Schwäger auch zu Mittag da zu behalten und ließ denselben ein reichliches Essen vorsetzen, dem die Zwei alle Ehre anthaten, aber auch hernach gingen sie nicht, wurden keck, verlangten immer wieder Wein, tranken und sangen und benahmen sich wie echte und rechte Strolche so, daß Frau Thekla ihre Neugierde und Gutmüthigkeit tief bereute Als sie ihnen schon spät am Nach¬ mittag ernstlich die Thüre wies waren die Zwei arg betrunken, lachten ihr in's Gesicht und sagten, es falle ihnen nicht ein, aus dem Hause zu gehen, sie solle nur noch weiters Wein herschaffen, sonst setze es Schläge. Um nun nicht im Hause und von der Straße alle Leute zusammen zu lärmen und so den Beweis zu liefern, daß sie ihres Gatten Weisungen nicht befolgt hatte, sandte sie ihnen immer wieder Wein und die zwei Buckligen betranken sich derart, daß sie endlich wie die Säcke hinfielen und um die Wette schnarchten. „Da haben wir die Bescheerung“. sagte die Crescenz, die sich alle Mühe gegeben hatte, die Trunkenbolde zu er¬ nüchtern, „die sind weg, rein wie todt, die gehen vor morgen Früh nicht auf den eigenen Füßen —aber was jetzt Frau? Der Meister wird auch nicht all zulange mehr ausbleiben!“ „Der darf sie hier nicht finden erklärte Frau Thekla sehr ärgerlich, „will nicht haben, daß er mich ein ungehor¬ — sames Weib zu schelten Grund hat ie müssen aus dem Hause, hörst Du, Crescenz „Ei, ja doch, Frau“, meinte diese „aber sagt nur wie? Ich allein kann keinen forttragen, und dann auch, wohin mit den zwei buckligen Kröten? „Ja, wohin“, sagte Frau Thekla sinnend, „und dann sind ihrer zwei, das fällt ja auf und giebt Stoff zu aben¬ teuerlichem Gerede! Weißt Du was Crescenz, Dein Versprochener ist ja Last¬ träger, bring' ihm die Sache vorsichtig

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