Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

98 Steyrer leisten für den gnädigsten Herrn gar viel!“ „Doch, ja, bestreit's auch nicht“, gab der Pfleger zur Antwort und blinzelte listig das Stadtoberhaupt dabei an, „da Ihr aber selber sagt, Ihr leistet gar viel so ist das noch lange nicht allzuviel für Euch, und so mag's immerhin bei dem bleiben, was wir heut festgestellt haben. Ich bring es unserem Herrn und König Ottokar, soll dereinst Kaiser im deutschen Reich!“ sein So war es also aus mit des Stadt¬ richters schönen Plänen, und er beeilte sich, mit dem Pfleger auf das Wohl des Landesherrn zu trinken, wär sonst gar leicht fehl gewesen, und droben im Schlosse zu Steyr saß sich's grad nicht gar behag¬ lich im feuchten, finsteren Verließ Da es nun doch einmal mit den geschäft¬ lichen Dingen nicht ging, wollte der Stadt¬ richter sich wenigstens auf Kosten des Pflegers att trinken und er that das und Herr Irenfried ließ einen Humpen nach dem andern kommen, trank aber auch selber wacker mit, und je stiller der Stadtrichter beim Weine wurde, desto fröhlicher ge¬ berdete sich der Pfleger und scherzte in seiner rauhen, aber gutmüthigen Weise. Endlich schien es aber dem Pfleger genug zu sein, und als der Wirth wieder einen vollen Humpen auf den Tisch stellte, sagte Herr Irenfried recht laut und gar fein betont: „Hast wohl alles angekreidet, so wir verbraucht haben? „Wohl edler Herr“, beeilte sich der Wirth zu entgegnen, „ist genau ver¬ zeichnet. „Na, dann sieh nur zu, daß der Stadtrichter die Rechnung ohne Abstrich Dir bezahlt! So benebelt war nun der Stadtrichter noch nicht, daß er nicht begriff, daß er die Ehre zu bezahlen hatte, der Gast Herrn Irenfried's gewesen zu sein, und sein matter Blick richtete sich mit vorwurfs¬ vollem Ausdruck auf den Pfleger. Der aber schüttelte sich fast vor Lachen und meinte gutgelaunt: „Seid heut' Nachmittag billig genug durchgekommen, Stadtrichter, ist wohl nur recht, daß Ihr den Schlußtrunk zahlt! Und er erhob sich, schnallte das Wehr¬ gehänge um, schüttelte dem stumm da¬ itzenden Stadtrichter kräftig die Hand nickte dem Wirthe gnädig zu und verließ die Stube. Seufzend griff der Stadt¬ richter in die Tasche und während er unter den Trostworten des Wirthes, „daß eben keine Gerechtigkeit mehr im Lande ei und der Bürger und Bauer geschunden werde“ die Zeche bezahlte, trat der Pfleger aus dem Hause auf den Platz hinaus und tappte in der finsteren Nacht den Schloßberg hinauf. An der Biegung des Gäßchens zum Schloßthor hin sah der Pfleger vom Schlosse her eiligst eine kleine, rundliche Gestalt auf sich zukommen und eben wollte er den Nachtwandler anrufen, als dieser auch schon bei ihm war und, im Begriffe gerade dorthin abzubiegen, woher der Pfleger kam, in der Dunkelheit mit demselben so heftig zusammenstieß, daß der Kleine zu Boden stürzte. Der Pfleger lachte, packte das Männchen kräftig an und hob es vom Boden auf Ei, ei“, sagte er noch immer lachend, „Ihr seid es, Meister Caspar? Wo in aller Welt lauft Ihr denn jetzt zu nacht¬ schlafender Zeit herum? Hätt Euch's ver¬ trieben, mich anzurempeln, ein Glück daß Ihr zu Boden fielet und ich Zeit hatte in Euch unseren wackeren Meister Caspar, den besten Klingenschmied in König Ottokar's Landen, zu erkennen! „Verzeiht, edler Herr“, stotterte der Kleine noch ganz athemlos, „aber ich hatte gar gewaltig Eile. Hab' mich bei Euerem Zeugwart ganz versessen und eil' nun heim. „Na, bittet Euren Schutzpatron, daß er Euch daheim so heil durchkommen lasse, wie allhier“, lachte Herr Irenfried etwas boshaft auf, „künftighin nehmt aber eine Leuchte mit auf den Heimweg hab's nicht gern, daß ein Bürger der landesfürstlichen Stadt in finsterer Nacht herumschleicht wie einer, der auf Böses sinnt.“

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