Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

Alle Rechte vorbehalten. Gaspar, Melchior und Balthasar. Zeitbild aus Stadt Steyr's Vorzeit von Heinrich Kematmüller. K I. zu bringen, wie das in jener selbstsüchtigen und nur auf den eigenen Vortheil be¬ Ver edle Herr Irenfried, Pfleger an dachten Zeit fast bei Jedermann gang und C der Enns,*) hatte am Rathhause gäbe war. mit dem Stadt Steyrer Stadtrichter an Herr Irenfried hatte aber den Stadt¬ einem Julinachmittage des Jahres 1273 richter bald durchschaut und trank zwar einige Stunden gar lebhaft über Steuern, mit ihm tapfer bis in die späte Nacht Rechtshändel und Verpflegsbedarfs=Liefe¬ hinein und lieh den Worten seines Zech¬ rungen gesprochen, und durch allerlei genossen willig sein Ohr, als aber der Drohungen den Stadtrichter so mürbe Stadtrichter etwas zu deutlich in seinen gemacht, daß dieser zu allem „ja“ und Wünschen wurde, da lachte der Pfleger „Amen“ sagte, und alles beizustellen ver¬ hell auf, klopfte seinem Gegenüber derb sprach, was Herr Irenfried für der Stadt auf die Schulter und sagte: Steyr dermaligen Herrn und Gebieter, „Schon gut, Freund Stadtrichter, den gewaltigen Böhmenkönig Ottokar II., das Lied kennen wir schon, ist so alt, verlangt hatte. wie Obrigkeit und Unterthan! Lautet Darob war der edle Herr Pfleger, auch, ob die Obrigkeit viel oder wenig nach vielem Aerger, doch wieder in die Abgab verlangt, immer gleich im Sinn, ihmfast allzeit eigene gute Laune ge¬ wenns auch nicht grad allemal in Vers¬ kommen, so zwar, daß er den Stadrichter lein stimmt: Wir zahlen zu viel, wir auf einen Trunk edlen Rebensaftes in können nimmer bestehen, der gnädigste das„Herrenstübel“ drüben beim „Ele¬ Landesherr thu uns weh! Ist doch phanten"**)einlud. so, he?“ Der Stadtrichter war kein Kostver¬ Der Stadtrichter sah den Pfleger ächter und ging nur zu gern mit, denn, ganz betroffen an und wohl auch mit erstlich schmeichelte es ihm, mit dem ge¬ Ursach; da, bei solchen Ansichten des strengen und in Stadt Steyr allmächtigen Pflegers, war nicht viel abzuhandeln Pfleger an einem Tische zu sitzen und von dem, was schon ausgemacht war. fürs andere hegte er die stille Hoffnung, Er war aber ein gar zäher Unterthan, im Laufe dieser Sitzung, dem Herrn der nicht rasch locker ließ, lächelte zucker¬ Pfleger gar manches kleine Zugeständniß, süß und meinte lauernd: so er demselben vorhin gemacht, wieder „Nicht doch, Herr Pfleger, so meinte abzuschwatzen und dabei sein Scherflein ich's nicht, hab nur unsere schlechten Zeiten sowohl vom Herrn Pfleger, als auch von wollen zeichnen und das muß Euere Ge¬ den guten Stadt Steyrern ins Trockene rechtigkeit doch wohl zugeben: Wir Stadt *) Im Jahre 1273. Stadt Steyr gehörte damals, seit dem Jahre 1252, dem Könige Ottokar II. von Böhmen, welcher die österreichischen Erblande nach dem Tode des letzten Babenberger's, des Herzogs Friedrich lI. von Oesterreich, der am 15. Juni 1246 an der Leitha im Kampfe gegen die Ungarn gefallen war, in seinen Besitz gebracht hatte. Es war die Zeit des „Zwischenreiches“ die„kaiserlose, schreckliche Zeit“ für Deutschland. **) Ungefähr da, wo in letzter Zeit ich das Gasthaus „Zur Post“ am Stadtplatz befand. 7

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