Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

90 englische Feldherr General Lord Methuen selbst leicht verwundet wurde— immer wieder au den ungebrochenen Widerstand der angeblick vollständig besiegten Buren stieß. Eine selt¬ same Folge des Vormarsches Lord Methuen's war es aber, daß die Buren die Belagerung des von ihnen hart bedrängten Estcourt auf¬ gaben und dem dort cernirten General Hil¬ dyard die Vereinigung mit der am Mooi¬ flusse vorrückenden britischen Abtheilung er¬ möglichten, daß Joubert auf seinem Vormarsche nachPietermaritzburg innehielt und in der Richtung nach Ladysmith zurückkehrte, und daß anderein Natal eingedrungene Burenabthei¬ lungen ohne Kampf —wie vom Erdboden hinweggetilgt erschienen. Ein Gegengewicht hiezu bildete der Aufstand der Holländer im nördlichen Caplande. Die späteren Meldungen über die Schlacht am Modder=River bewiesen,daß auch General Methuen das Opfer der schlauen, klug mit dem Uebermuthe und der Terrain=Unkenntniß der englischen Generale rechnenden Burentaktik geworden war. Die angeblichen Niederlagen der Buren bei Belmont und Graspan waren demnach nur listige Manöver der Buren gewesen und der englische Sieg bei Modder=River sah im Lichte der späteren Meldungen einer starken englischen Niederlage so ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Durch ihren Rückzug bei Belmont und Graspan hatten die mit dem Feinde stets in Fühlung bleibenden und von ihren Kundschaftern trefflich bedienten Buren offenbar keinen anderen Zweck, als General Methuen zu einem kühnen Vordrängen bis zu dem Punkte zu verlocken wo ihn eben die Burenfeldherren haben wollten am Modder=River. Und General Methuen that ihnen den Gefallen; mit vollständig erschöpften Truppen kam er an diesen Fluß und sah sich unerwartet vor einem starken Heere der Buren, das ihm den Flußübergang wehrte. Das blind¬ wüthige Drauflosgehen der Engländer bracht nur den Buren Vortheile, denn das Herr Methuen's verlor in dem Kampfe beim Modder¬ River 1800 Mann an Todten und Verwundeten bei einem Heere von circa 8000 Mann eine wahre Decimirung), sowie die Hälfte seiner Officiere und vermochte den Flußübergang doch nicht zu erzwingen. Mit der Stärke der Buren am Modder=River war es auch klar geworden wohin die in Natal ohne Schwertstreich plötzlich verschwundenen Buren=Commanden hingerathen waren Einecharakteristische Episode des süd¬ afrikanischen Krieges ist es, daß die englische Regierung in der zweiten Hälfte November den Mächten die Notification zugehen ließ, daß England sich seit 11. October 1899 im Kriegs¬ zustande mit den südafrikanischen Republiken befinde, womit ihre frühere Erklärung, sie führ keinen Krieg, sondern unterwerfe Aufrührer, hin¬ fällig wurde Der Niederlage Methuen's folgte noch eine ganze Reihe englischer Echecs: Am 10. De¬ cember wurde ein Angriff des Generals Gatacre auf die Burenstellung bei Stormberg unter schweren Verlusten zurückgeschlagen; am 12. De¬ cember mußte sich Lord Methuen vor den an¬ dringenden Buren vom Modder=River zurück¬ ziehen; am 15. December erlitt der englische ChefgeneralBuller bei einem Versuche, den Tugela zu überschreiten, bei Colenso eine schwere Niederlage, bei welcher er fast seine ganze verlor. Die Folge der constanten Artillerie der englischen Heeresleitung und ins¬ Mißerfolge besondere der Niederlage bei Colenso war die am 18 December erfolgte Enthebung Sir Redver 2 uller's vom Obercommando der gesammten britischen Streitmacht in Süd=Afrika An seine Stelle wurde Marschall Frederic Sleigh Roberts zum Obercommandanten ernannt und ihm General Lord Kitchener der — Sudanbezwinger als Generalstabschef bei¬ gegeben. Diese Ernennungen sollten für die Engländer eine Wendung des Kriegsglückes herbeiführen, doch brachten die Tage vor der Ankunft des neuen Generalissimus in Capstadt und auch die ersten Wochen nach diesem Er¬ eignisse den Engländern noch eine Serie schwerer Niederlagen. Am 16. December wurde bei Vaal¬ kop der einzige bis dahin noch unbesiegte eng¬ ische General, Freuch, von den aufständischen Capholländern geschlagen, vor denen er sich dann am 18. December hinter Arundel zurück¬ ziehen mußte. Am 24. und 25. Jänner 1900 erlitt General Warren bei einem neuerlichen Ver¬ uche, den Tugela zu überschreiten, am Spions¬ kop eine vernichtende Niederlage, welche die Armee Buller's zwang, wieder jene Positionen, die sie jenseits des Tugela auf kurze Zeit be¬ zogen hatte, aufzugeben und den vollständigen Rückzug über diesen Fluß anzutreten. Auch ein dritter Versuch Buller's, den Tugela zu über¬ chreiten, endete nach harten Kämpfen, welche vom 3. bis 9. Februar währten, mit einer Niederlage und dem Rückzuge Buller's. Unter¬ dessen waren Lord Roberts und Lord Kitchener am 9. Jänner 1900 in Capstadt eingetroffen, woselbst sie zunächst die weiteren Verstärkungen der englischen Truppen abwarteten und jene Operationen entwarfen, welche eben zu der oben erwähnten Wendung des Kriegsglückes führen sollten. In der zweiten Woche des Februar begann der allgemeine Vormarsch der Armee Roberts'; am 16. Februar war bereits der Entsatz von Kimberley gelungen, in welche Stadt General French, nachdem sich die Belagerer vor der Uebermacht kampflos zurückgezogen, an diesem Tage seinen Einzug hielt. Damit war auch der in Kimberley eingeschlossene Cecil Rhodes der mit Chamberlain als der eigentliche Urheber des Krieges zu betrachten ist, befreit. Mit dem Entsatze Kimberleys begann eine Reihe schwerer, wenn auch zumeist unblutiger

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