Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

lichen Organen anheimstellten, riefen wahre Stürme der Entrüstung in der gebildeten Welt Deutsch¬ lands hervor. Künstler, Schriftsteller, Strafrechts¬ lehrer 2c. traten in fulminanten Protesten gegen dieselben auf. Im Reichstage griffen Freisinnige, Socialdemokraten und zuletzt auch die National¬ liberalen zu dem Mittel einer, in den feinsten Formen gehaltenen Obstruction, um durch eine Fülle von Anträgen, namentlichen Abstimmungen langwierigen Reden eine definitive Beschlußfassung über das von der Regierung selbst nicht gerne gesehene, vom Kaiser sogar verdammte, vom Centrum aber festgehaltene Gesetz unmöglich zu machen, und wirklich gelang es den vereinigten Johannes Bemühungen der freiheitlichen Parteien das Centrum zu ermüden, so daß es endlich am 22. Mai 1900 im Wege eines Compromisses gelang, die fatale Sache aus der Welt zu schaffen. Die Lex Heinze wurde einfach von der Tages¬ ordnung abgesetzt und ein Initiativantrag durch Graf Hompesch eingebracht, in welchem auf Grund enes Compromisses die vielumstrittenen Kunst¬ und Theaterparagraphe fallen gelassen, vom ganzen ursprünglichen Gesetze nur die eigent¬ lichen Unsittlichkeitsparagraphe übernommen und denselben ein neuer Paragraph angefügt wurde, durch welchen Demjenigen eine Strafe angedroht wird, der an Personen unter 16 Jahren Gegenstände 79 gegen Entgelt feilbietet, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen. Das so modificirte Gesetz, resp. der Initiativ¬ antrag Hompesch wurde dann sofort in erster, zweiter und dritter Lesung angenommen. Der ganze Verlauf und der Ausgang der Sache hat bewiesen, daß man siegen könne, ohne zugleich dem parlamentarischen Gedanken Abbruch zu thun — vorausgesetzt natürlich, daß ein voll¬ tändig objectiv seines Amtes waltender Präsi¬ dent, wie dies Graf Ballestrem im deutschen Reichstage war, die Verhandlungen leitet. * A 1 Gutenberg. Am 16. Juni 1900 fand die Eröffnung des Elbe=Trave=Canals durch Kaiser Wilhelm statt. In den Tagen vom 24. bis 26. Juni 1900 eierte die Stadt Mainz, und mit ihr die ganze civilisirte Welt, die fünfhundertste Wiederkehr des Geburtstages Gutenberg's (J. Gensfleisch zum Gutenberg), des Erfinders der Buchdrucker¬ kunst. Am 4. September 1899 verlautbarte der „Preußische Staatsanzeiger“ die Enthebung des Lultusministers Bosse und des Ministers des Innern v. d. Recke. Oberpräsident Studt wurde zum Nachfolger Bosse's und Regierungs¬ präsident Freiherr v. Rheinbaben zum Minister

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