Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

74 mit der Rechten einen Lorbeerkranz hinaufreicht während sie mit der linken Hand die empor¬ rankenden Dornen wegbiegt. Ist das Denkmal auch insofern verfehlt, als die Nebenfigur, die weibliche Gestalt, den eigentlichen Hauptgegen¬ tand des Monumentes, die Brucknerbüste, förm¬ lich in den Hintergrund treten läßt, so macht das Ganze doch, gehoben von dem grünenden Baumhintergrunde, einen überaus plastisch¬ malerischen Eindruck. Auch das Theaterleben Wiens hat einige denkenswerthe Ereignisse aufzuweisen; wir zählen dahin das Scheiden des Hofoperncapellmeisters Hans Richter aus dem Verbande der Wiener Hofoper, den Rücktritt der Frau Alexandrine v. Schönerer von der Leitung des Theaters an der Wien und den Selbstmord des Carl=Theater¬ Directors Franz Jauner. Mit dem, im März 900 erfolgten Ausscheiden Hans Richter's — aus dem Verbande der Wiener Hofoper ein Ausscheiden, welches man in manchen Kreisen, ob mit Grund oder Ungrund können wir nicht entscheiden, auf künstlerische und andere Diffe¬ renzen mit dem gegenwärtigen Director der Hof¬ per, Gustav Mahler, zurückführen wollte verlor dieses Institut einen ausgezeichneten Diri¬ genten besonders Wagner'scher Musikdramen. Hans Richter, welcher durch 25 Jahre der Wiener Hofoper als Capellmeister angehörte und durch einige Zeit auch die Philharmonischen Concerte und jene der Gesellschaft der Musik¬ reunde dirigirte, wird nunmehr den Schwer¬ punkt seiner Thätigkeit nach London verlegen und dortselbst nur Concerte dirigiren. —Unter Frau Alexandrine v. Schönerer welche seit 1884 Eigenthümerin und zunächst mit Franz Jauner, resp. Camillo Walzel, seit 1889 aber allein auch artistische Leiterin des Theaters an der Wien war, erlebte die Wiener Operette eine ieue Periode der Blüthe; seit einigen Jahren wollte aber dieses Genre keine rechte Zugkraft mehr ausüben, die Einnahmen gingen stetig zu rück und der so documentirte, artistische und inanzielle Mißerfolg war wohl die Haupt¬ ursache, daß Frau Schönerer mit Ende der Saison 1899/1900 das Scepter niederlegte. Franz Jauner endlich, welcher von 1875 bis 1880 die Direction der Wiener Hofoper führte und dessen Name auch mit der entsetzlichen Ring¬ theater=Katastrophe verknüpft ist, war ein tüch¬ tiger Theaterdirector; der Umstand, daß es ihm trotz aller Anstrengungen nicht gelang, das Carl¬ Theater, dessen Leitung er vor einigen Jahren übernommen hatte, finanziell zu halten, drückte ihm am 23. Februar 4900 die Mordwaffe, mit der er seinem Leben ein Ende machte, in die Hand. Er war im Jahre 1834 in Wien geboren und sein Name wird mit der Wiener Theater¬ geschichte des letzten Vierteljahrhunderts unzer¬ trennlich verbunden bleiben. — Der bevorstehende Rücktritt der Frau Schönerer und der Selbst¬ mord Jauner's waren der Ausgangspunkt den An¬ vielfacher Verhandlungen, welche dort kauf, hier den Neupacht des verwaisten Theaters bezweckten. Dieselben endeten damit daß das Theater an der Wien am 31. März 1900 in das Eigenthum eines Consortiums überging welches aus den Herren E. Ritter v. Kubinsky, L. Doret und J. Simon besteht, und das Carl=Theater am 2. April 1900 von einem Con¬ ortium gepachtet wurde, welchem die Herren A. Amann als zukünftiger Director, Leopold Müller (der langjährige Secretär des Deutschen Volkstheaters unter Bukovics und nachherige administrative Leiter, resp. Director=Stellvertreter des Carl=Theaters unter Jauner), der Compo¬ nist A. Müller=Norden und zwei Capitalisten angehören. Nachdem so die Frage über das Eigenthum, resp. die Verpachtung der beiden Wiener Theater definitiv geordnet war, fand sich die in Wien bestehende Theater=Landescommission veranlaßt, sich in einer am 1. Juni abgehaltenen Sitzung mit der Frage zu befassen, ob im Hin¬ blick auf die in den beiden Theatern bestehenden, die persönliche Sicherheit des Publicums gefähr¬ enden Uebelstände überhaupt, eventuell unter welchen Bedingungen der Weiterbetrieb dieser Theater zulässig erscheine. Das Ergebniß dieser Berathungen war der Beschluß, die weitere Benützung der beiden Theater überhaupt nicht mehr zu gestatten oder, falls eventuell be¬ tehende und nachzuweisende Privilegien die Einstellung der Betriebe unthunlich erscheinen ließen, die Gestattung des Weiterbetriebes an eine Reihe bestimmt bezeichneter Bedingungen zu knüpfen, deren Erfüllung eine fast vollständige Reconstruction der beiden Theater nothwendig machen würde. Die Frage, ob es den Eigen¬ thümern der beiden Theater gelingen wird den Bestand von Privilegien in unwiderleglicher Weise documentarisch darzuthun, und ob sie im bejahenden Falle geneigt sein werden, die geforderten Reconstructionen vorzunehmen, und damit die Frage über den Fortbestand der beiden Theater war bis zu Ende der Berichts¬ periode noch nicht definitiv erledigt. Wie in den Vorjahren, so wurde Oester¬ reich auch in der diesmaligen Berichtsperiode von einer Reihe mehr oder minder schwerer Katastrophen betroffen, welche schwere Verluste an Menschenleben und Eigenthum verursachten: hier sei nur einiger der schwersten gedacht. Am 22. Juli 1899 fand auf dem kaiserl. Torpedo¬ oote „Adler“ im Canal von Curzola bei der Insel Torcola eine Kesselexplosion statt, durch welche von der Bemannung des Schiffes fünf — Personen darunter der Linienschiffsfähnrich Moritz Grabmayr v. Angerheim — getödtet ind zwei Personen verwundet wurden. Der Kessel wurde über Bord geschleudert und der Schiffskörper Ein außerordentlicher Wetter¬ chwer beschädigt. — turz, welcher am 10. September 1899eintrat hat in einem großen Ländergebiete Ueberschwem¬ nungen hervorgerufen, welche beträchtlichen

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