waren Johann zu Ohren gekommen und hatten ihn umso mehr gekränkt, als er für die beste Partie am Orte galt. Mit einem frostigen Gruß ging er von da ab an ihr vorüber. Zuerst lachte das über¬ müthige Mädchen innerlich über ihn, dann verdroß sie das „alberne Gethue“ und sie grüßte gar nicht mehr. Am letzten Sonntag nun nach der Kirche kam ihr zum ersten Mal der Ge¬ danke, der Johann könnte sich möglicher¬ weise mit der Zeit über ihren Verlust trösten. Warum that er denn sonst gar so schön mit des Großbauern Santer's Evchen? Ihr konnte es gleich sein sie machte sich ja nichts aus einem Menschen, der nicht besser als eine Wetter¬ fahne war— der Johann hieß und mitten unter klappernden Mühlrädern sein Leben verbrachte! Heute mischte sich in ihre Auflehnung gegen ihr Daheim nebenbei der Gedanke ie möchte am liebsten auch dem einfäl¬ tigen Johann nicht mehr begegnen müssen. Noch unter dem Eindruck von des Vaters Rüge ist sie jetzt vollkommen überzeugt, daß sie sich in der Fremde besser zu¬ recht finden würde wie im elterlichen Hause. Sie hat sich indessen an die Näh¬ maschine gesetzt; doch während die Hand emsig am Rade dreht, sind die rebel lischen Gedanken so wenig stille gestanden, als die „eiserne Mamsell“. Sie kümmert sich nicht um das Bild behaglicher Häuslichkeit, welches das trauliche Wohn¬ zimmer bietet. Für die graue „Miez“ die vergnügt auf der Ofenbank schnurrt für die zahmen Spatzen, welche draußen auf dem Fenstergesims unter lautem Ge zwitscher die für sie ausgestreuten Krümchen vertilgten, hat Clärchen so wenig Augen, als für das schöne, vom Fenster aus sichtbare Landschaftsbild. Die Bäume, zwischen denen das Häuschen steht, glänzen unterihrer Schnee¬ hülle, von der Sonne bestrahlt, wie herrlicher Bergkrystall. Die Gedanken des Blondköpfchens sind weit weg. Wohl schwebt des 51 Mädchens Auge der Glanz von Berg¬ krystallen vor; aber er geht von einem mächtigen Kronleuchter aus, der über¬ üllte Theaterräume beleuchtet. All der äußere Schimmer, den sie erträumt, muß jedoch in den Schatten treten gegenüber den Menschen, mit denen die Gedankenwelt der jugendlichen Dorf¬ chönheit bevölkert ist. Nebst allen anderen Vorzügen besitzen sie auch die angenehme Eigenschaft, daß sie Clara schätzen wissen. zu Inmitten dieser Träume drängt sich störend die rauhe Wirklichkeit. Hastig öffnet die Mutter die Thüre von außen. „Es ist wahrlich kein Verlaß auf Dich, Clara, sagte sie gereizter, als sonst ihre Art; „hast schon wieder die Thür zur Speisekammer offen stehen lassen, und die Katze hat den schönen Rahm von der Milch geleckt! Darauf fielen bittere Worte von des Mädchens Lippen, die nicht gesprochen worden wären, hätte sie sich Zeit zur Ueberlegung genommen, und wäre ihrer Meinung nach nicht Alles schief mit ihr gegangen. Im Grunde ihres Herzens hatte sie die Mutter unaussprechlich lieb wenn schon sie meist fand, die Mutter nehme doch Alles gar zu genau! „Wenn ich's doch nie recht machen kann, Mutter, so laß mich unter fremde Leute gehen! Hatte sie wirklich dem Gedanken Ausdruck gegeben? Ihre eigene Stimme klang ihr so fremdartig. Aber es blieb kein Zweifel, denn sagte nun nicht die Mut¬ ter mit einer Stimme, die leise zitterte: Wohl möglich, daß Fremde es besser ver tehen, Dich tüchtig zu machen, als Wenn der Vater nichts dagegen hat, ich ich halte Dich nicht zurück!“ Der Vater zeigte sich nicht abgeneigt, als ihm die Sache vorgelegt wurde, auf diese Art der ewigen Zänkereien los zu werden. „Doch Eines will ich Dir sagen, Clara, fügte er hinzu: „unter zwei Jahren kommst Du mir nicht wieder nach Hause zurück und läufst mir auch 4*
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