Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

Lehrgeld. Erzählung aus dem Alltagsleben von Emy Gordon. (Nachdruck verboten.) lara! Clara! ruft an einemes zwar, die Arbeit geschickt anzugreifen, 7 kalten Wintermorgen zu wieder¬ doch befand sie sich nicht stets in der holten Malen die schwache richtigen Stimmung dazu. Besonders am Stimme der Mutter. „Malchen Morgen, wo die Arbeit am meisten muß zur Schule gehen; komm, doch endlich, drängte, stand das junge Mädchen selten um ihr Haar zu flechten und es aufzu¬ zeitig genug auf dem Platz. Bis sie tecken!“ hübsch frisirt in das Wohnzimmer trip¬ Doch das älteste hübsche Töchterlein pelte, hatte die Mutter meist das Früh¬ ist noch immer vor dem Spiegel beschäf¬ tück bereitet, und die schulpflichtigen tigt, bei der spärlichen Beleuchtung eines Geschwister eilten schon auf der Land¬ Talglichtes die eigenen goldenen Haare straße dem nahegelegenen Städtchen zu. auf dem zierlichen Köpfchen zu befestigen, Auch heute wird Clara erst sichtbar, eine offenbar sehr zeitraubende Arbeit nachdem Malchens Zöpfe längst keiner Leider ist sie, wie dies bei ihr an der hil eichen Hand mehr bedürfen. Tagesordnung, nicht sofort aus den Federn Der Vater sitzt beim Frühstück, während geschlüpft, als zum ersten Mal an die das unermüdliche Mütterchen schon mit Thüre ihres Schlafzimmers gepocht wurde, Aufräumen in den Zimmern beschäftigt ist. sondern hat erst noch einen angenehmen Verlegen läßt Clara den Kopf hängen, Morgentraum an sich vorüberziehen lassen, und ihr „guten Morgen“ hat keinen ehe sie sich entschlossen, aufzustehen, um rohen Klang. Die Wolke des Mi߬ ihr Tagewerk zu beginnen. — Die kränk¬ muthes, die bei ihrem Anblick sich auf liche Mutter ist zeitig aufgestanden; doch es Vaters Stirn lagert, ist ihrem scharfen wartet ihrer allzuviel, als daß sie ohne luge keineswegs entgangen. Hilfe fertig werden kann. Auf Barbara „Die Mutter,“ hebt er ohne weitere die kräftige Hausmagd, darf sie nicht Umschweife an, „hat gewaltig viele Hilfe zählen; diese hat das Vieh zu warten anDir — das muß ich sagen!“ und zu melken, denn Herr Günzer besaß Clara erröthet und stammelt zu ihrer eine kleine Oekonomie, mit der er einen Vertheidigung: Malchen ist wahrhaftig Milchversandt verband, welchen er aller¬ alt genug, ihre Haare selbst in Ordnung dings nicht ganz mit dem eigenen Vorrath zu bringen, und die andere Arbeit läßt decken konnte. Früh am Tage, wenn sich ich später ebenso gut abmachen, wie die Leute aus der Nachbarschaft ihren etzt, wo man noch nicht einmal ordent¬ Bedarf an Milch holten, ging es am un¬ lich zu derselben sieht. Ist irgend etwas ruhigsten zu. nicht sauber, so bekomme ja doch ich den Wie sehnte sich die Mutter nicht Tadel!“ während der letzten Jahre nach der Zeit „Merkwürdig, wie solch' ein „Kiek in da Clara alt genug sein würde, im Haus¬ die Welt“ Alles besser versteht, als die halte mit Hand anzulegen. Das Mädchen Mutter! Vielleicht probirst Du es und erechtigte zu den besten Hoffnungen. Sie nachst eine neue Arbeitseintheilung für hatte immer sehr gute Schulzeugnisse nach ie, die bei Deiner Gescheitheit uns Hause gebracht, war klug und gutmüthig Allen zum Vortheil gereichen wird“ da gehörte wahrlich ein gutes Theil brummte der Vater ungehalten im Hin¬ Schwarzseherei dazu, um Anderes als ausgehen, wobei die Thüre recht unsanft Günstiges zu erwarten. insSchloß fiel. Aber es kam nicht so ganz, wie die Clara's Augen füllten sich mit Thränen, Mutter es sich ausgemalt. Clara verstand während sie den seines Wohlgeschmackes 4

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