Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

46 wollte, machte ihm offenbar noch einige Scrupel. Der Alte sah ihn neugierig und etwas verwundert an. „Nun, und was weiter?“ frug er endlich, als Hans nich fortsetzen wollte. „Merkt Ihr nichts?“ entgegnete Hans „Nein, gar nichts!“ „Ich meine, Ihr sollt ihn an¬ geben,“ preßte der Bursche mit unver¬ kennbarer Anstrengung heraus— „Ihr bekommt dann vielleicht hundert Gulden oder doch jedenfalls so viel, daß Euch geholfen ist.“ Der Alte blickte den Sprechenden schmerzlich an. Hans verstand den Blick und erröthete. „Du wirst roth? Nicht wahr?“ sagte Thomas, „Du weißt recht gut, was Du mir räthst. Weiß Gott, ich halte Den für einen schlechten Mann, der seinen Schwur bricht und treulos die Fahne seines Kaisers verläßt, aber angeben mag ich Niemanden Wer weiß auch, warum er desertiren will! Hat vielleicht eine alte Mutter oder eine Braut daheim. Gewiß, der Eidbrüchige verdient Strafe, aber ich danke Gott, daß ich nicht sein Richter bin. Angeben mag ich Niemanden,“ wiederholte er schließlich. Hans hatte die Augen niedergeschlagen sammelte sich jedoch allmälig und ent¬ gegnete: „Ja, Ihr denkt Euch eben einen braven Burschen, den das Herz treibt zu deser¬ tiren. Da irrt Ihr Euch aber gewaltig „Der Mensch ist ein Taugenichts schlechter Kerl, ein Dieb. ein Ja wahrhaftig, das ist er; er hat selbst seine Kameraden bestohlen und des¬ halb Strafe genug bekommen, daß ein Anderer es hätte kaum aushalten können. Er hielt's nicht nur aus, sondern besserte sich auch nicht, ließ sich jeden Augen¬ blick Unordnungen und Fehler im Dienste zu Schulden kommen, so daß er in zehn Regimentern vielleicht der übelberüchtigtste Bursche ist.“ Der Alte schüttelte bedenklich den Kopf. „Ich bin gewiß Keiner von Denen, Vater, welche die Leute ins Unglück türzen, ohne dabei auch nur etwas zu so denken. Wenn ich rathe, es zu thun, dürft Ihr's mit dem besten Gewissen. Ich kann Euch sagen, Ihr thut vielleicht ein gutes Werk damit. Denn was wird der Mensch anfangen, wenn er vom Re¬ giment weg ist? Heimkehren kann er nicht, sonst erwischt man ihn gleich; Arbeit mag er nicht leiden, er wird also heimat¬ los in der Welt umherirren; wird ein Einbrecher, ein Gauner, ein Mörder werden. Wer weiß wie viele blutige Verbrechen Ihr verhindert, wenn Ihr seinen Flucht¬ versuch vereitelt, wie vielen Menschen Ihr das Leben rettet, Hab und Gut be¬ wahrt. Ja Ihr erweiset vielleicht ihm elbst einen Dienst, Ihr rettet vielleicht seine arme Seele vor dem völligen Unter¬ gange. Gewiß, Vater,“ schloß Hans, „Ihr dürft es thun und könnt es mit offenem Auge vor Gott und Welt verantworten. Zunächst fühlte sich die Schwägerin von der treuherzigen Darstellung des Soldaten überzeugt und sie redete nun dem Alten gemeinschaftlich mit Hans zu, en Vorschlag anzunehmen. Thomas gab endlich nach, wohl chüttelte er noch immer den Kopf, die Geschichte wollte ihm denn doch nicht so recht in den Sinn, aber er beruhigte sich mit dem Gedanken, daß seine Kinder brav, rechtschaffen, gewissenhaft sind und daß sie ihm gewiß nichts rathen würden, was sich mit einem frommen Herzen nicht vereinigen ließe. Hans nahm seinen Vater selbst mit zum Oberst, denn die Sache war dringend da der Mann noch in derselben Nacht zu entwischen gedachte. An der Thüre des Obersten verließ Hansseinen Vater. Der Alte trat mit vielen Bücklingen vor den Officier und brachte erröthend und stotternd seine Meldung an. „Wißt Ihr den Namen des Mannes?“ frug der Oberst. „Nein,“ antwortete Thomas, „ich hab' nur gehört, wie sie sich zusammen¬

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