Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

42 Der Lenz von Haidach fiel kraftlos auf eine Bank im Garten und blieb dortliegen. Niemand kümmerte sich um ihn. Der Simmelbauer Jörg war schleunigst davongegangen. Er sah und hörte genug und wußte jetzt nur allzu gut, woran er war. Loni hatte ihre Kammerthür hinter sich abgeschlossen. Bleich wie der Tod aß sie am Bettrande und horchte ge¬ spannt auf den Vater, der nach ihrer Meinung nun Einlaß begehren und Gericht über sie halten würde. Aber es regte sich nichts. In der Ferne nur rollte dumpf der Donner, tosten die Wildbäche. Mitternacht war vorüber. Das Ge¬ witter, das anscheinend harmlos vorüber¬ zugehen schien, hatte allmälig an Stärke und Unheimlichkeit zugenommen. Aus allen Himmelsrichtungen trafen sich die Blitze, ein orkanartiger Sturm erhob sich und fegte die Landstraße ent¬ „ lang, fuhr in die Wipfel der Baume, daß diese rauschten, ächzten und stöhnten und entzwei zu brechen drohten. Die finsteren Bergeshäupter waren taghell beleuchtet. Ueber der Benedictenwand woben die Flammengarben eine feurige Krone, zuckten die Blitze wie bläuliche Schlänglein hin und her, Tod und Verderben rings verbreitend. Der Lenz von Haidach saß noch immer auf der Gartenbank. Die Glieder chmerzten ihn und ein eigenthümlicher Frost schüttelte derart seinen Körper, daß ihm die Zähne klapperten, wiewohl die Atmosphäre um ihn schwül und un¬ behaglich war. Aber nicht um alle Welt hätte er sein Haus aufgesucht, er mochte mit seinem Kinde nicht mehr unter einem Dache weilen. Morgen wieder, wenn sie fort war. Und wenn sie fort war, was sollte dann aus ihm werden? Vaterliebe, ge¬ kränkte Ehre und Verzweiflung kämpften einen schlimmen Kampf. In seinem Gehirn tauchten die wunderlichsten Gedanken auf, aber keiner derselben führte ihn zum einzig richtigen Ziel. Er preßte die Hände gegen die heißen Schläfen. „Gott, hilf mir, daß ich mich nicht verfehle gegen mein eigen Kind!“ Da zuckte ein Blitz hernieder, flammen¬ roth, es flimmerte ihm noch vor den Augen. Der Donner krachte, wie wenn Kartätschen losgeschossen worden wären. Die Erde bebte schier unter seinen Füßen und als er aufsah, geblendet von dem chrecklichen Strahl— da sah er, wie der Blitz zur wirklichen Flamme geworden, die aus Loni's Fenstern heraus an den Mauern emporzüngelte und schier ins Endlose zu wachsen schien. Wie mit einem magischen Schimmer übergossen, fing das Haus zu glühen an, von dem Brunnentrog bis zum Schorn¬ stein in rosenfarbenes Licht gehüllt. Die Kaiserkronen im Garten leuchteten in nie gesehener Herrlichkeit auf, Alles um ihn war wie in ein Feenreich ver¬ vandelt. Da war es ihm, als käme leise das Echo halb erstickter Schreckensrufe an ihn heran. Das Alles sah und vernahm er und rührte sich dennoch nicht vom Platze Wie angewurzelt blieb er stehen. Der plötzliche Schrecken hatte ihm eine Sinne gelähmt, seinen ganzen Körper wie mit einer Schraube umklammert, daß sich kein Glied rühren konnte. Da schoß etwas an ihm vorüber in der Richtung gegen das Haus zu. Als die Gestalt in den Lichtkreis kam, erkannte er sie. Auch Loni glaubte er plötzlich vor Augen zu sehen. Droben im Flammenmeer, wie mit euchtenden Farben übergossen — ein glanzverklärtes, überirdisches Bild — dann wälzte sich schwarzer Rauch über sie hinweg und sie war verschwunden. Träumte oder wachte er! Ein Glüh¬ wind kam ihm entgegen, erstickender, brandiger Qualm um ihn her der ihm beinahe den Athem nahm. Es war Wirk¬ lichkeit, was er so greifbar vor sich sah

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