Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

der die beiden feindlichen Nachbargüter von einander trennte. Da hörten sie ein Flüstern neben sich Der Lenz rief den Jörg bei Seite, damit er sich mit keinem Fußtritt mehr ver¬ rathe. Unter einer Hollunderstaude geduckt belauschten sie mit sehr gemischten Ge¬ fühlen ein seltsames und unerwartetes Gespräch. „Ich habe zwei junge kräftige Arme, sagte der Jenseitige, „und einen hellen Kopf und kann für Dich sorgen. Dein Vater hat sich nun einmal die Schrulle * in den Kopf gesetzt, uns zu verderben bis an unser Lebensende. Habe Vertrauen zu mir. Ich werde Dir in der Ferne ein trautes Heim gründen und Dich dann holen. Es ist Alles vorbereitet.“ „Nur vergißt Du, daß ich Dich über den Haufen schieße!“ schrie der Lenz im ürchterlichsten Grolle aus seinem Ver¬ tecke. Dann stürzte er hervor in ohn¬ mächtiger Wuth. Der Mund schäumte dem Jähzornigen und die Augen traten aus ihren Höhlen. Das zornentstellte Antlitz war aschfahl. In der Wuth griff er nach einem 41 Bolzen, der am Boden lag, und schleuderte ihn gegen die Beiden. Loni entfloh in das Haus. Der Sohn eines Todfeindes, der Beflecker seiner Ehre aber stand aufrecht da. „Nicht so, Bauer!“ sagte er. „Ich fürchte auch eine offene Aussprache nicht. Ich verlange nur Euer Kind von Euch und weiter nichts! „Ha, ha, ha! Und weiter nichts!“ chrie der Lenz. „Eher könnt Ihr Euch ie Sonne vom Himmel herunterholen, als daß Ihr lebend mein Kind bekommt. A Macht, daß Ihr mir aus den Augen kommt. Für heute ist's genug! Aber norgen, wenn ich Dich kriege, dann gnade Dir Gott!“ „Und Du, Elende!“ rief er und polterte gegen das Haus zu, in dem Loni verschwand, „auch Dich lass' ich für heut' ungeschoren. Es soll nicht heißen, der Lenz habe sein Kind in stockfinst'rer Nacht zum Hof hinausgejagt, aber morgen sollst Du mit den Landstreichern Mahlzeit halten. Mein Kind bist Du dann nicht nehr. So elendiglich zum zweiten Mal erkauft, verrathen und belogen!“

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