30 fiel Holdheim ein. „Hören Sie mich nun an. Ich bin ein vermögender Mann und habe keine Erben. Mein ganzes Vermögen gehört Jansen. „Mit Geld allein ist es nicht gethan.“ „Gewiß nicht. Hören Sie nun weiter. Alles was ich Ihnen gesagt habe, habe ich schon vor längerer Zeit ausführlich zu Papier gebracht; dem Schriftstück fehlt noch meine Unterschrift. nur „Wo ist das Papier?“ fiel der Doctor eifrig ein. „Dort in dem mittleren Auszuge des Schreibtisches, zu dem der Schlüssel in meiner Börse ist,“ war die mit immer schwächer werdender Stimme gesprochenc Antwort des Sterbenden, der erschöpft von der Erregung dieses Bekenntnisses in die Kissen zurücksank. Der Arzt nahm den Schlüssel aus der neben dem Bette liegenden Börse, öffnete den Auszug und fand dort das verhängnißvolle Schriftstück. Schnell holte er Feder und Tinte, richtete den Ster¬ benden im Bette empor, und nachdem er auch die Schwester, die gleich nach seiner Ankunft das Zimmer verlassen hatte wieder herbeigerufen hatte, ließ er in deren Gegenwart das Schriftstück unter¬ zeichnen Sie haben schwer gefehlt, Hold¬ heim,“ sagte er zum Abschied zu dem Sterbenden. „Doch haben Sie durch dieses, wenn auch späte Bekenntniß wenigstens etwas wieder gut gemacht. Möge Gott Ihnen gnädig sein.“ Es war die höchste Zeit gewesen für Holdheim, sein Gewissen zu erleichtern, denn als an demselben Tage die Sonne unterging, stand er bereits vor dem ewigen Richter. * * * Zwei Monate sind vergangen; es ist wieder Weihnachten. In derselben Woh¬ einst nung, in der sie mit ihrem Gatten soglücklich war, waltet wieder Frau Anm, die noch etwas blaß aussieht, aber doch von der schweren Krankheit voll¬ ständig genesen ist. Von dem Tage an als man ihr die Nachricht bringen konnte, daß Philipp Jansen's Unschuld offenbar geworden sei, war die Genesung mit Riesenschritten vorwärts gegangen. Die Herren Eisfeld und Walther hatten es ür ihre Ehrenpflicht gehalten, sofort in ausgiebigster Weise der Gattin des schwer gekränkten Jansen beizuspringen, und da gerade die alte Wohnung frei war, hatte man sie ausgestattet und die junge Frau war überglücklich gewesen, als man sie mit ihrem Töchterchen dorthin geführt hatte. Nun war es wieder Weihnachten und dieser Weihnachtstag war von ganz be¬ sonderer Bedeutung; war es doch der Tag, an dem Philipp Jansen der Freiheit und den Seinen wieder geschenkt werden sollte. Dr. Petri war vor einer Viertel¬ stunde fortgefahren, um den Freund zu holen. Währenddessen war Frau Anni in freudigster Erregung beschäftigt, den prächtigen Christbaum anzuzünden, den sie aufgeputzt hatte, und die kleine Paula stand dabei und klatschte vor Freude in die Hände; denn einen solch herrlichen Lichterbaum hatte sie noch nie gesehen. Nun strahlte der Baum in seiner ganzen Pracht und Frau Anni saß in glühender Erwartung da und horchte auf jedes Geräusch, das sich von der Straße vernehmen ließ. Klein Paulchen hatte sich eng an die Mutter geschmiegt und plapperte nach Kinderart fröhlich in den Tag hinein. Das Kind konnte ja den heiligen Ernst dieser Stunde nicht verstehen; es freute sich nur gewaltig daß es endlich den Vater sehen sollte, von dem Mütterchen ihm so viel erzählt hatte. Jetzt ließ sich das Rollen eines Wagens auf dem hart gefrorenen Schnee vernehmen, jetzt hielt er vor dem Hausc und gleich darauf hörte man eilige ein Männerschritte auf der Treppe Zittern ging durch Frau Jansen's Körper doch ie wollte dem Gatten entgegeneilen, die Knie versagten ihr den Dienst.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2