Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

20 Jetzt regte es sich auf der Altane. Es kicherte und rauschte und der Wasser¬ vogel sang: „Floigt a Küwerl*) über's Dasch) Es wird uns doch net regna alb).“ „Z'Abends schlaft's net 2c. Jawohl, es regnete, nein, es goß buchstäblich mit Scheffeln und Eimern Lachend, pustend, jauchzend stob der Haufe auseinander, um alsbald die geschäftige Dirnenschaar oben unnöthigerweise zu trösten: „Thoat's nur fleißi' giaß'n, Es thut uns net verdriaß'n!“ „Z'Abends schlaft's net 2c.“ „Ja geht's nur g'schwind und geht's nur glei', Der N. ihr Schatz is auch dabei! „Z'Abends schlaft's net 2c.“ Das Wassergießen dauerte mit weni¬ gen Unterbrechungen fort, während die Burschen keck ihren Lohn forderten: „Wir hab'n ein' solchen Maier, Der thut so wild um d’Eier.“ „Z'Abends schlaft's net 2c.“ □„Sitzt a schwarze Henn' im Nest Die hat schon sechsadreißgi g'legt. „Z'Abends schlaft's net 2c. Dreißgi wär'n ja gar net z’viel, Vierzgi war das rechte Ziel. „Z'Abends schlaft's net 2c.“ „Wir hab'n Oan' von der Unterwelt, Der thut so wild um's Silbergeld. „Z'Abends schlaft's net 2c.“ ( „I hör' schon d' Schlüssel klinga, Sie wer'n uns glei' was bringa. „Z'Abends schlaft's net 2c. Nun öffnete sich das Fenster, an welchem die Bäuerin mit einem Körbchen voll Eiern erschien. Der Maier hielt seine Kirm hin und während sie ihm mit der rechten Hand Ei um Ei reichte, goß sie ihm mit der linken abwechselnd kaltes und warmes Wasser über den Kopf. Hierauf sang der Pfingstvogel seinen Dank und wünschte dem Hause Gottes Segen. Dann nahm er endlich Abschied mit dem Versprechen, nächstes Jahr wie¬ zu kommen. der Das ganze Spiel wiederholte sich vor dem nächsten Hause und weiter, wie *) Fliegt ein Wölkchen. man ja auch noch in andere benachbarte Dörfer gehen wollte. Nach beendigter Pfingstreise sollte das Erträgniß derselben altem Herkommen gemäß im Dorfwirths hause verjubelt werden. „Du bist net fremd hier, weilst das ganze G'sang so gut woaßt,“ sagte der Vorsänger zu dem Maier, als sie das Dorf abgesungen hatten und den Weg nach dem Scheibenhofe einschlugen. Der Maier nickte nur mit dem Kopfe und schritt schweigend voraus. VI. Es war um Mitternacht, als Nanni mit einem Licht in der Hand in die Stube und an das Bett des kranken Scheibenbauern trat. Er war wach. Die tiefliegenden Augen in dem gelben, ein¬ gefallenen Gesicht blickten starr zur Decke empor, selbst dann noch, als das Mädchen seine abgezehrte Hand berührte und leise sagte „Bauer, i hör' den Pfingstvog'l über'n Berg aufa singa. Soll i etwa außi geh'n und ihn vorbeischicka?“ „Der Pfingstvog'l!“ war die mit hohler Stimme gegebene Antwort. „Hab gar net d'ran denkt, daß der heut — kimmt. Aber vorbeischicka— naa! Halt' den Brauch, wie es sich g’hört.“ „Wenn Dir aber der Lärm bösli' thuat, Bauer?“ „Dumm's Dirndl!— Hab'n mein Lebtag gern g’hört, hör'n im Sterb'n auch noch gern.“ Sie ging und stellte die Eier, sowie einen Krug mit Wasser auf die Fenster¬ bank. Dann setzte sie sich hin, um die Sänger zu erwarten. Thränen liefen über ihre in letzter Zeit blaß gewordenen Wangen, als sie darandachte, wie so unbeschreiblich sie sich früher immer auf die Ankunft des Pfingstvogels gefreut hatte. Jetzt vermochte sie es nicht mehr. Ihr Leben war so trübe und einförmig die Zukunft versprach auch nichts Besseres und dort auf dem Bette lag ein Ster¬ bender, den sie wie einen Vater liebte. „Zwei Tage noch, wenn es gut geht,

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2