14 Nanni aber saß noch spät in der Nacht in ihrer Kammer an dem Bett¬ rande und flehte zu Gott, er möge in das starre, harte Herz des seltsamsten aller Menschen einen Strahl seiner ewi¬ gen Milde senden, es trösten und ver¬ söhnen. IV. Wieder waren drei Jahre dahin¬ gegangen. An einem Herbsttag, so schön und sonnig wie keiner der letzten vier Wochen in denen es fast unablässig geregnet hatte, litt es den alten Scheibenbauern nicht in der Stube und er erklärte seiner „Köchin“, wie er Nanni beharrlich nannte, daß er in den Kammwald hinaufgehen und den Knechten beim Holzfällen be¬ hilflich sein wolle. Sie möchte unter¬ dessen für eine ausgiebige Mahlzeit Sorgc tragen, denn er würde am Abend einen tüchtigen Appetit mit nach Hause bringen. Nanni blickte ihm durch das Fenster nach, wie er mit der Axt über der Schulter die Bergwiese hinanschritt, so gebeugt und müde, daß ihr das Her¬ weh that. War er doch früher nie so gewesen, nur das letzte Jahr hatte ihm so arg zugesetzt, ihn rasch zum Greise gemacht. Was davon die Hauptursache war, sie wußte es wohl, wenn er auch schwieg Der Kummer und der Schmerz um seinen Sohn war es, der an seinem Herzen nagte und seine Lebenskraft verzehrte Und sie konnte ihm nicht helfen, so gerne — sie es gethan hätte. Als sie sich seuf¬ zend vom Fenster abwandte, stand ihre Mutter an der Thüre, einen umfang¬ reichen Bündel am Arme tragend. „O Herrgott, Muatta, wie kimmst denn Du heut' daher?“ rief sie, indem sie auf die alte Frau zueilte und ihr die Hand drückte. „Na, auf' Füaß'n halt. Hast mich leicht net g’wart't, weilst gar so ver¬ dunnert drei'schaust?“ „Naa, Du hast mir ja nix g'sagt da¬ von, daß D' mich hoamsuchen willst, wie am letzt'n Sunda bei Dir g’wes'n bin.“ „Hoamsuchen!“ lachte die Witwe. „J such' Dich ja net hoam, sondern i bleib für alle Zeit da! I glaub' gar Nanni, Du woaßt nix? — von was denn, Muatta? „Was „O Jessas, iatzt schlag' aber gleich n Ofen z'samm'! Die woaß nix! Hat Dir's leicht der Bauer net verzählt, daß er mir vor drei Tag'n d’ Post thun hat lass'n, i soll d' Goaß verkaufen und auf'n Scheib'nhof kemma mit Sack und 69 C Paa. I kunnt' in dem Stübl loschir'n wo d' Schmierkatz', tröst s’ Gott, g’wohnt hat, eh' sie zu ihrener Schwester in Lang¬ 77 eld ins Sterb'n ’gangen isr „Die Alt' is schon g'storb'n? Das hab i auch net g’wißt.“ „Ja, tröst s’ Gott und unser' liebe Frau, die is g'storb'n. Hab' ihr eh im Aufageh'n a paar Vaterunser ’bet' daß mich doch net amal anweihretzt bei der Nacht, wann i in ihren Stübl lo¬ schir'. Jatzt aber hör' mit dem Verwun¬ dern auf, Nanni, und schenk' mir was zum Ess'n, wennst was hast. Mich hun¬ gert all'n Ernst recht stark.“ „Ja, i koch' Dir gleich an Kaffee Muatta! Aber mei, wie mich das g'freut daß Du iatzt bei mir bleib'n derfst, das kann i gar net sag'n. Woaßt, Muatta, unser Bauer is doch der bravste Mensch auf der Welt. Unser Herrgott soll eahm's tausendmal vergelt'n!“ Sie wischte sich die Thränen aus dem glücklich lachenden Gesicht und trat an den Herd, um für die Mutter den Kaffee zu bereiten. Diese erzählte ihr unterdessen, wie es ihr bei dem Verkaus der Ziegen ergangen und manch Anderes das ihr gerade wichtig erschien. Selbst dann noch, als sie schon vollauf mit Leerung des ihr von Nanni vorgesetzten Kaffeetopfes beschäftigt war, fand ihr geschwätziger Mund noch Zeit, von allem Möglichen zu plaudern. Und als sie end¬ lich fertig war und ihre neue Wohnung zu sehen begehrte, wurde plötzlich mit großer Heftigkeit die Thüre aufgerissen Ein Knecht erschien in dem Rahmen der¬
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