Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

Leben und daß Du gesund bleibst und mir das Uebrige verzeihst. Du könntest mir schreiben lassen, wenn Du willst Aber sehen thun wir uns nicht mehr in diesem Leben. Den Hof vererbe, wem Du willst, denn daß Du ihn weder ver¬ kaufen noch lebendig verlassen magst, weiß ich wohl. Zum Schluß kommt mir was in die Augen. Die Weichherzigkeit habe ich wahrscheinlich von meinem Mutterl, Gott hab' es selig, geerbt. So leb’ wohl, bleib gesund und glück¬ lich und sei nicht mehr zornig auf Deinen Dich nie vergessenden Sohn Johann.“ Nanni's Stimme hatte schon bei den Schlußworten bedenklich gebebt. Jetzt hielt sie die Hände sammt dem zerknit¬ terten Brief vor das Gesicht und weinte. Der Bauer aber sprang auf, lief ein paar 13 mal in der Stube hin und her und rief dann, in der entferntesten Ecke stehen bleibend und das Gesicht der Wand zu¬ kehrend, in seinem hämischesten Tone: „Jatzt plärrt die narrisch' Dirn! Geht's ebba Dich was an? Sie wußte nicht gleich eine Antwort zu geben. Als ihr aber endlich die pas¬ senden Worte einfielen, ihr grenzenloses Mitleid mit ihm, dem unglücklichen Vater, dessen einziger Sohn ihn so lieblos ver¬ lassen, um ihm dann mit diesem Brie die letzte Hoffnung zu rauben, darein¬ zukleiden, war er schon zur Thüre hinaus Am Abend trat er noch einmal vor sie hin und sagte: „Von heut' an red'st mir nimmer a Wort von der G'schicht' Hörst Du, nimmer oans. Denn i kann's net leid'n, i kann's amal durchaus net leid'n!“

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