Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

12 Lebhaften und Geräuschvollen eine, wenn sie auch gerne gelacht und sich mit den Fröhlichen gefreut hatte. Doch jetzt sah man sie gar zu selten mehr lächeln und ihr Ernst stand in unnatürlichem Gegen¬ satze zu ihrer Jugend, zu ihrem hübschen, frischen Gesicht. * * Wer den alten Scheibenbauern seit jenem Tage, an welchem ihr Leid be¬ gonnen, beobachtet hätte, der würde ihn für den boshaftesten und schadenfrohesten Menschen auf Gottes Erdboden erklärt haben. Je mehr das junge Mädchen sich abhärmte, desto lustiger zwinkerte er mit einen grauen Augen, desto hämischer lachte er. Und wenn er mit ihr sprach dann that er es in so spöttischem Tone, daß sie oft nicht umhin konnte, ihm er¬ bittert den Rücken zu kehren. Nach und nach aber, wie ihr Gram sich milderte, söhnte sie sich auch wieder mit seiner Bosheit aus und eines Tages es war im Frühling, als draußen alle Knospen sprangen und die Natun im herrlichsten Schmucke stand ge wann sie es sogar über sich, ihm lächelnd die Hand zu reichen und zu sagen: Stell' Dich so harmlos an wie Du magst, Bauer, i woaß's doch, daß Du's einwendig anders drin hast. I glaub' Du kunnt'st wohl freundli' und gemüathli sein, wenn Du's net schon ganz verlernt hätt'st.“ „Dumm's Ding, wenn i Dir z’grob bin, kannst ja geh'n!“ knurrte er. „Naa, derweil Du mich net im Ernst ausschaffst, geh'i net. Es thut mir recht wohl auf'm Scheib'nhof. Das kann viel¬ leicht anders werd'n, wenn Dei' der Hans amal kimmt und herheirat't.“ Das war das erste Mal, daß sie ihm gegenüber seines Sohnes erwähnte Oft schon hätte sie es gerne gethan, wenn ie nicht seinen Zorn oder irgend einen andern jähen Gefühlsausbruch gefürchtet hätte. Und jetzt hatte sie sich, ohne lange zu zagen, den Anlauf genommen. Da saß er an dem schweren Ahorn¬ tisch und senkte den weißhaarigen Kopf auf die Fäuste nieder. Und lange ver¬ blieb er so, während sie geängstigt neben ihm stand. Als er sich endlich wieder aufrichtete, war sein Gesicht fahl und in einen Augen flimmerte es eigenthümlich. Er griff mit der heftig zitternden Rechten in die Tasche seiner Joppe und reichte ihr, zögernd genug, ein vielfach zusammen¬ gelegtes Stück Papier. 77 „Was soll i denn thun damit, Bauer? „Les'n — vorles'n!“ sagte er rauh. Du kannst es besser wie i. I hab 's chon a paarmal durchbuchstawirt, kann aber nix recht's drausbringa.“ Und er stützte den Kopf in die Hände, während ie das Schriftstück, einen Brief, ent¬ faltete und langsam vorlas: „Kansas City, am 1. März 18. Lieber Vater! Nun sind es bald drei Jahre, daß ich auf Dein Wort, ich soll Dir nicht mehr unter die Augen gehen, von zu Hause fort bin. Und ich glaube, daß ich ge¬ cheit daran gethan habe, denn es ist nun einmal so: Unsere Köpfe taugen nicht zusammen. Du hast mich nie leiden können, schon damals nicht, als die Mutter noch lebte und ich ein kleiner Bub war. Hast mir nie ein gutes Wort gegeben. Ich gab Dir auch keines und o ist 's nimmer besser geworden, dann erst recht nicht, als ich, vom Militär heimgekommen, ein Lump wurde. Es ist wahr, ich habe Dir viel Verdruß gemacht. Vielleicht hätte ich's nicht so toll getrie¬ ben, wär's mir nicht immer vorgekommen, als sähest Du mich lieber todt als le¬ bendig. Da hab ich's wohl aus Trotz gethan. Und mich reut es nicht, daß ich Dir aus den Augen gegangen und nach Amerika gereist bin. Im ersten Jahre ist es mir hier freilich verzweifelt schlecht gegangen. Im zweiten wurde es besser und jetzt geht es mir so gut, daß ich es mir nicht anders wünschen kann Ich werde nie mehr heimkehren. Manch¬ mal ist mir schon so zweierlei, denn es hätte anders auch so sein können und nein Vater bist Du doch trotz Allem So wünsche ich Dir halt ein recht langes

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