Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

4 sie sich erschrocken, „da kimmt er! Jatzt derf i aber zum Zeug schau'n!“ Sie hatte kaum mehr Zeit, hinter der Ofen zu retiriren, als der Bauer schon in die Stube trat. Er war ein Mann von mittelgroßer, aber untersetzter und derbknochiger Figur. Das unter einem Zunderläppchen hervorstehende Haar hatte die Farbe des Schnees draußen. Dock die dicken Brauen über den finster, fast boshaft blickenden Augen waren noch dunkel und von dem ganzen braunen, scharf¬ zügigen Gesichte ließen sich die fünfund¬ sechzig Jahre, die er bereits hinter sich hatte, keineswegs herablesen. „Na, seid's da?“ redete er die Witw und ihre Tochter in knurrendem Tone an „Is recht, daß's Enk net habt's aufred'n lass'n von den Leut'n. So setzt's Enk halt zum Tisch, die Alt' dort hint'n wird dennerst bald firti sein mit ihrener Dat¬ scherei. He, Schmierkatz', was is's? — „Glei, glei' wird's zum Ess'n,“ be¬ eilte sich die Magd zu versichern. Und während sie dann den Tisch deckte und das Essen auftrug, sprach der Bauer noch mit der Witwe. Er erkundigte sich nach den Eigenschaften der Tochter und je mehr er aus Muttermund das Lob der¬ selben singen hörte, desto knurriger und unzufriedener wurde er. „J kenn 's schon das,“ sagte ei höhnisch. „An jed'n Lapp'n g'fallt sei Kapp'n. A jeder Kramer lobt sei' Waar' Es is wohl das G'scheiter' i red' mit dem Dirndl selber. Geh her da, Nanni, oder wiest hoaßt! Was sagst denn Du dazua, daß Dich Dei' Muatta so außa 77 streicht? Nanni trat vor ihn hin und blickte ruhig und furchtlos an. ihn „Das verstehst doch, daß a Muatta über ihr eig'ns Kind net schimpfa kann, sagte sie. „Laß sie red'n, Du derfahrst es ja selber noch, wiar i b’schaffa bin —d'Thür von Wenn i Dir net pass' Dein' Haus laßt wohl net vermauern. „Naa, da hast recht, das thuar i net. So probier'n wir's halt miteinander. Das sag' i Dir aber gleich: 's Kochen mnaßt mir sofort lerna, denn d' Schmierkatz kennt mir Dreck und Speck zu wen'g auseinander.“ Die Magd wollte sich vertheidigen doch der Eintritt der übrigen Dienstboten schnitt ihr jedes weitere Wort ab. Der Bauer sprach den englischen Gruß, wo¬ rauf sich Alle zum Essen setzten. Nanni sah sich bei Tische ihre nunmehrigen Hausgenossen der Reihe nach aufmerksam an. Da war vor Allem der Großknecht, ein verdrossen dreinschauender Bursche. Dann der Rosser, der heute ihr Trühlein hiehergefahren und sich dabei durch sein Fluchen in so schlimmer Weise ausge¬ zeichnet hatte. Ferner der dickbackige Futterbube mit dem wahrhaft großartigen Appetit. Endlich die sehr selbstbewußte Stalldirn, deren überlegene Miene deut¬ lich sagte, daß sie nicht gesonnen sei, sich der neuen Dirn gegenüber etwas zu ver¬ geben. Und über all diese herrschte der finstere Bauer, von dem man niemals recht wußte, ob er zornig oder ruhig war. Eine Stunde später machte sich die Witwe mit einem Tüchlein voller Krapfen, welche die alte Magd ihr zugesteckt, wie¬ der auf den Heimweg. Nanni begleitete sie ein Stück, um sie, die vor Angst um ihr Kind, welches in ein solch unfreund¬ liches Haus gerathen war schier vergehen wollte, zu trösten. „Es is ja net so übel, wie 's iatzt herschaut,“ sagte sie, vielleicht gegen ihre innere Ueberzeugung. „Hab koan' Angst, Muatta, i bring' mich schon durch auf'm Scheib'nhof. Und soll's net geh'n, na, dann gibt's ja noch an anderen Platz auch. II. Es war wirklich nicht so übel auf dem Scheibenhofe, wie es zuerst den An¬ chein gehabt hatte. Die Dienstboten thaten ruhig ihre Arbeit und vertrugen sich miteinander. Und besonders in einem Punkte waren sie sämmtlich ein Herz und eine Seele, nämlich in dem Haß gegen den Bauern. Doch nein, Haß ist nicht die rechte Bezeichnung für ihre Gefühle, denn wo man haßt, pflegt man nicht zu

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