Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

Bürgercorps mit seiner Musikcapelle und die Freiwillige Feuerwehr Steyr, welchen Corporationen derselbe lange Jahre ange¬ hört hatte. Am 27. November waren es volle 25 Jahre, daß Hochwürden Ferdinand Kerschbaum als Pfarrer in Grünburg wirkt, nachdem er lange Jahre Cooperator in Steinbach gewesen. Am Vorabende wurde aus diesem Anlasse von Seite der dortigen Musikcapelle, um deren Gründung sich Pfarrer Kerschbaum vor drei Jahren große Verdienste erworben, ein solenner Fackelzug mit Ständ¬ chen veranstaltet, an welchem die Bewohner¬ chaft sich zahlreich betheiligte und womit dem allbeliebten Jubilare eine herzliche Ovation bereitet wurde. Am 27. Vormittags fanden sich die Gemeinde=Vorstehung, die Deputationen des Gesangvereines und der Freiwilligen Feuerwehr, sowie die Lehrerschaft im Pfarrhofe ein, um ihre Glückwünsche dem Jubilar zu überbringen. Pfarrer Kerschbaum hatte in seiner bekannten Bescheidenheit jede Festlichkeit abgelehnt. Der Gefeierte besitzt eit Jahren das Ehrenbürgerrecht der dortigen Gemeinde.— Am selben Tage Nachmittags and in der Pfarrkirche zu Grünburg die Einweihung des neuen Marienaltars durch den hochw. Dechant Lintl von Molln statt. Der 2. December war gekommen, jener Tag, an welchem vor 50 Jahren Se. Majestät Kaiser Franz Josef l. den Thron Oester¬ reichs bestiegen. Rauschende Feste waren seit Langem allerorts vorbereitet gewesen, um den Tag in glänzender Weise zu begehen. Doch es sollte nicht sein. Trauer erfüllte noch die ganze Monarchie an jenem Tage um die vom Mordstahle eines Anarchisten dahin¬ geraffte Kaiserin, aber dennoch wetteiferten die Völker Oesterreichs, den Jubeltag ihres Kaisers würdig zu feiern und die Liebe und Treue zum österreichischen Herrscherhause offen und herzlich zu bekunden. Der Wunsch des Kaisers, das Jubiläum seiner fünfzig¬ jährigen Regierung besonders durch Schaffung nutzen= und segenbringender Institutionen zu feiern, fand im weiten Reiche uberall Beherzi¬ gung und gab dem Jubel= und Trauerjahre Oesterreichs eine unvergängliche Weihe. Zahllos sind die Stiftungen und Werke, die ür das allgemeine Wohl geschaffen wurden, und auch unser Industriebezirk weist davon eine Reihe auf. In allen Orten des Industriebezirkes Steyr=Kirchdorf fanden Illuminationen und Festgottesdienste statt, in den Schulen und Lehranstalten wurde der Jubeltag durch Ansprachen gefeiert, die vom Kaiser gestifteten Jubiläumsmedaillen wurden an die Bezugs¬ berechtigten vertheilt, viele Corporationen in Stadt und Land beschlossen Huldigungs¬ kundgebungen, die Volkshymne erklang an allen Orten und aus Millionen Herzen stieg 141 das heiße Gebet zum Himmel: „Gott erhalte, chirme und segne unsern allgeliebten Kaiser Franz Josef l. Steyr erglänzte am Vorabende des Jubiläumstages in einem Meer von Lichtern, während von den Kirchthürmen feierlicher Glockenklang die Feier des großen Festtages Oesterreichs einleitete und die ganze Be¬ wohnerschaft in dichten Schaaren die Straßen durchströmte, um die prächtige Illumi¬ nation zu schauen. Alle Häuser trugen Flaggenschmuck und viele Geschäftsläden waren mit Kaiserbüsten und =Bildern, Blatt¬ planzen, schwarz=gelben Draperien und ärbigen Lichtern prächtig geschmückt. Als die Glockenklänge verstummten, dröhnten von der Ennsleite Pollerschüsse und ein imposanter Fackelzug mit Zapfenstreich durchzog die Straßen der Stadt. An demselben betheiligten ich das uniformirte, bewaffnete Bürgercorps mit seiner Musikcapelle, sowie die Mitglieder der beiden Freiwilligen Feuerwehren Steyr's und des Veteranen=Vereines. Bis spät Abends herrschte in der Stadt und ihren Vororten reges Leben. Es war ein herrlicher Abend. Am Festtage besorgte die Bürgercorps¬ Capelle die Tagreveille. Die meisten Geschäfte blieben den ganzen Tag geschlossen, wie auch in vielen gewerblichen Betrieben die Arbeit ruhte; nur die decorirten Auslagen blieben offen. In den beiden Pfarrkirchen der Stadt anden feierliche Festgottesdienste statt, Be¬ welchen die autonomen und staatlichen das hörden, das k. und k. 10. Jägerbataillon, die uniformirte bewaffnete Bürgercorps beiden Freiwilligen Feuerwehren, Vertreter vieler Vereine, Lehrer und Schulkinder und eine große Menge Andächtiger beiwohnten. Nach dem Festgottesdienste in der Stadt¬ Pfarrkirche defilirte das Bürgercorps vor den Honoratioren, worauf Bürgermeister Redl vor dem Rathhause eine patriotische An¬ sprache hielt und auf den Kaiser ein dreimaliges Hoch ausbrachte, welches von der gesammten Volksmenge brausend erwiedert wurde odann intonirte die Bürgercorps=Capellé — die Volkshymne. Auch die evangelische Kirchengemeinde und die israelitische Cultus¬ gemeinde hielten Festgottesdienste ab. Der Gemeinderath der Stadt Steyr versammelte sich sodann zu einer außer¬ ordentlichen Sitzung, um anläßlich des Regierungs=Jubiläums eine Huldigungs¬ Kundgebung zu veranstalten. Das — Bürgercorps fand sich in seiner Vereins¬ herberge „Zum wilden Mann“ zu einer Festversammlung, verbunden mit einem gemeinsamen Festmahle, ein, wobei Corps¬ caplan Hochwurden Heinrich Pfeiffer eine begeisternde patriotische Festrede hielt und die Zinsen der Kaiser Franz Josef=Stiftung an 24 arme alte Corpsmitglieder vertheilt wurden. Das Corps gab anläßlich dieses Festtages eine Chronik desselben vom Jahre

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