102 denn Caspars Freiheit durfte nicht des Vaters Gefangenschaft werden; nur er¬ der fahren wollte die Rosel vom Vater, ja Aufseher über alle Gefangenendes Pürchinger war, die aus Stadt Steyr stammten, wo der Caspar saß und wer sein Hüter war. Das wollte sie schon herausfragen aus dem Alten, ohne daß er es merkte, dafür war sie seine Tochter, die ihn genau kannte, und eine Evastochter obendrein, und gegen Frauenlist ist auch ein böhmischer Söldner nicht gefeit, und so war die Rosel bald wieder guten Muthes und konnte dem heimkehrenden Vater einen fröhlichen Willkommgruß bieten. Der Alte aß mit guter Eßlust, was ihm die Rosel, welche die kränkliche Mutter im Hauswesen vertrat, vorsetzte, und antwortete wohl gar knapp auf seiner Tochter Fragen, aber bald wußte sie es doch: der Caspar hätte gar nichts an¬ gestellt, sei nur als Geißel für die Stadt Steyr der Gefangene des Pürchinger, bis der für ihn Lösegeld erhielt, habe für seinen Kopf nichts zu fürchten und säße mit den Zweien, die grad so Pechvögel wären wie er, drüben im Käfig, heißt im Thurm an der Lehne, just in dem Thurm, der die „Pfefferbüchse“ hieß und der Rosel gar wohl aus ihrer Kindheit her bekannt war, denn in freundlichen Zeiten war er unbewohnt und die Buben pielten dort „Fehde, stürmten und ver¬ theidigten ihn und die Rosel war „zu ihrer Zeit“ mit einigen ebenso naseweisen, gleich jugendlichen Cameradinen gar oft im Thurm gewesen, um den Verlauf des „Fehdespiels“ mit anzusehen. Den Ort, wo Caspar war, kannte sie also, und die Wächter — oh, Geld öffnet schon die Pforte, und sie hatte welches, zwar nicht viel zehn Goldgulden, „Goden¬ geld, aber so ein Söldner wird auch mit so viel zu erweichen sein, die erhielt er beim Pürchinger nicht in zehn Jahren auf einmal zu sehen! Handelte sich also nur noch darum, einen Begleiter zu finden zum Gang nach dem Thurm, denn allein, das ging nicht an. Auch der Begleiter *) Hinter der jetzigen Anton Stippl'schen würde sich finden, und während die Rosel die Ueberreste des Abendbrodes ab= und einen Krug Bier herbeitrug, wogte der kecke Plan durch ihr Köpfchen, und als ie dem Vater den Krug „Braunes“ hin¬ stellte, konnte sie ihm und sich aufrichtig dazu sagen: „Gott segne es!“ ihm den wohlverdienten Trunk und ihr das Werk der Befreiung. Am nächsten Vormittag schon hatte die Rosel sich den Begleiter für den Be¬ freiungszug ihres Caspar gefunden. Der „graue Jörg“, den sie in's Vertrauen gezogen, hatte sich für gute Worte, etwas „Braunes“ frisch vom Keller und ein paar Silberlinge dazu bereit erklärt. Der „graue Jörg“ war auch ganz der richtige Mann dazu, um ein junges Mädchen zu schützen, denn er war ein Riese von Gestalt, der nur infolge seines Alters, —sein Haar war bereits grau, —mehr noch infolge seiner Beschäftigung er war Schuster —etwas gebeugt einherging. Er war jetzt noch ein ge¬ fürchteter Raufer und es reizte ihn ge¬ waltig, mit den „Böhmen“ etwa „an¬ bandeln“ zu können. Sonst war er eine ehrliche, gute Haut, arm wie eine Kirchen¬ maus und hatte beim alten Kurt im Haus eine Kammer inne, für die er regelmäßig den Zins zu zahlen vergaß, denn er brauchte das Wenige, was er verdiente, ehr rasch in der „güldenen Gans“ in der „Enge“ drinnen auf, allwo die ehr¬ same Schuhmacherzunft ihr Lager hatte und wacker die Ereignisse der Zeit kanne¬ gießerte. Aber der alte Kurt forderte auch keinen Zins vom grauen Jörg, der mit rührender Liebe an ihm und seiner Fa¬ milie hing und der allzeit verläßliche Hüter des Hauses und grimme Vertheidiger der Weibsleute des alten Kurt war, befand sich dieser mit seinem Herrn auswärts von Steyr, was oft genug der Fall war Und so brachen am Nachmittag die Rosel und der „graue Jörg“ zur Befreiung des Caspar auf, d. h. sie schlichen einzeln zum Hause hinaus, durch die schmalen Wege zwischen den Gartenzäunen hindurch und trafen sich beim Kellerhause*), nicht Apotheke, Kirchengasse.
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