Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

100 „Kommt“, sagte der alte Kurt nun zu den drei Steyrer Bürgern, „ich will Euch ein Nachtlager anweisen Dabei winkte er einigen Söldnern. Diese mußten vorher schon belehrt worden ein, denn sie nahmen die Gefangenen in die Mitte und schritten mit ihnen dem alten Kurt nach, der, ohne sich umzusehen am Rande der Ebene hinschritt und nach kurzer Zeit einen steil abwärts führenden Pfad betrat. Der Weg, eigentlich der Fußsteig, führte hinab zum heutigen Steyrdorf und endete an einem Thurm, welcher aus der Umfassungsmauer hervor¬ ragte, welche die Stadt am Fuße der Taborhöhe, hinter der heutigen Michaeler¬ Kirche, bis zum Gleinkerthor abschloß Diese Mauer war wohl nur ein Abschluß der Stadt gegen außen, vielleicht, um einem von der Taborhöhe herabsteigenden Feind eine Zeit Hinderniß gegen das Ein¬ dringen zu bieten, denn der natürliche Schutz der Stadt auf dieser Seite war der steile Abhang der Taborhöhe selbst, deren starke Neigung gegen die heutige Kirchen= und Gleinkergasse Gelegenheit genug bot, 4 herabsteigende Angreifer einzeln unschäd¬ lich zu machen, sei es mit Pfeilen oder Wurfgeschossen, welche aus den Befesti¬ gungsthürmen, die in gewissen Abständen an der Mauer angebracht waren, ge¬ schleudert werden konnten. Der alte Kurt nahm seinen Weg nach einem solchen Thurm*) und als die Schaar demselben schon sehr nahe war, öffnete sich ein Pförtchen und aus dem Thurm heraus trat die Wache und musterte neu¬ gierig die Näherkommenden. Der alte Kurt sprach mit einem der Söldner, welcher der Vorgesetzte seiner Cameraden zu sein schien, in böhmischer Sprache, und die Gefangenen erkannten, daß von ihnen die Rede war, denn der Rottenführer nickte und lächelte wiederholt spöttisch und wies dabei auf den Thurm und seine Umgebung, der alte Kurt nickte beistimmend und sagte dann zu den Gefangenen: „Die Pfefferbüchse da“ —er deutete auf den Thurm — „ist einstweilen Eure *)Die Reste desselben befinden sich hinter Faatz, Kirchengasse. er Herberg', und dem Manne da“ — wvies auf den Rottenführer — „habt Ihr zu gehorchen! Und etwas leiser fügte er, gegen Caspar gewendet, hinzu: „Wollt keine dummen Streiche machen, lieber Caspar, die Zeit ist nicht darnach angethan und Ihr habt grad vorher ge¬ sehen, wie der Pürchinger kurzes Recht spricht! Zudem geht's an dem da aus und an mir, so Ihr entflieht, das bedenkt gar wohl! „Ei, ja auch“, erwiderte Caspar und sah nicht eben freundlich den Rottenführer an, dessen verschmitztes, hinterlistiges Gesicht ihm nicht gefiel, „wir drei werden uns hüten, unsere Köpfe leichtsinnig her¬ zugeben, zumal den Stadt Steyrern damit nicht geholfen ist! Sorgt nur dafür daß wir nicht Mangel leiden, denn vom Pfeffer — er sah den Thurm an dabei allein“ „können wir nicht leben!“ „Soll geschehen, nickte der alte Kurt und sein Blick auf die drei war gar nicht unfreundlich, „diene ich auch dem Pürchinger bin ich doch noch lange kein Unmensch! Und lauter sagte er in seiner barschen Weise: „Folgt dem Rottenführer und damit hollah! Und ohne sich umzusehen, schritt er weg, der Stadt zu, während die Söldner ihre Gefangenen mehr in das Innere des Thurmes schoben als führten, denn sie verstanden gegenseitig ihre Sprache nicht, und bald hernach richteten sich die Drei ein Gelaß des mittleren Stockwerkes so gut es ging für einen längeren Auf¬ enthalt ein. II. Der alte Kurt war zur Stadt herab¬ gestiegen. Er war ein gebürtiger Stadt Steyrer und lange Waffenschmied bei verschiedenen Adeligen gewesen, ehe er in des Pürchinger Dienste gelangte. Der war auch nicht immer der trotzige Raub¬ ritter gewesen, wie jetzt, erst der Zwist dem Hause des Spänglermeisters Johann

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