ihrem Dache zu haben; aber die Anne¬ Marei, das arme Weib, konnte sie doch nicht vergebens bitten lassen. So zogen die Beiden in's Schulhaus um dort die Entscheidung mit der Feuer¬ versicherung abzuwarten. Die Gesellschaft war auch stutzig geworden und geneigt, den Wendelbauern zu beargwöhnen. Es stellte sich heraus, daß er eine Zeit lang im Rückstande mit der Versicherungs summe geblieben und dann plötzlich vor sechs Wochen bezahlt hatte. Er schien es dann eilig zu haben und stellte allerle Fragen, die darauf ausliefen, ob der Verzug seine Ansprüche an die Gesell schaft schädigen könne Nazi war aber allem Augenscheir nach nicht gewillt, Verdächtigungen auf sich sitzen zu lassen; er drohte mit Klagen gegen Jedermann, der sich unterstehe, ihm etwas nachzusagen. Anne=Marei war froh über sein Vor¬ gehen, denn es half ihr die innerliche Angst überwinden, die ihr in den letzten Tagen oft unwillkürlich das Herz zusam¬ mengeschnürt hatte. Wenn Nazi auch ganz anders geartet war als sie erwartet sein ehrlicher Name wenigstens mußt ihm bleiben. Keines sollte ihrem Bübchen das draußen auf dem Kirchhofe unter dem frisch aufgeworfenen Hügel ruhte nachsagen können, sein Vater sei ein Brandstifter. Da Nazi ein Alibi zu stellen ver¬ mochte, indem ihm der Wirth vom „Ti¬ voli“ ein Zeugniß gab, er sei lang vor der Stunde des Brandes bei einem Glase Bier in seinem Local gesessen und da nichts gegen ihn erwiesen werden konnte, blieb der Versicherungsgesellschaft nichts Anderes übrig, als sich zur Aus¬ zahlung zu bequemen. Nazi konnte nach diesem Abschluß nun wieder als Einer gelten, der, wie die Bauern sagten, „fein heraus war“. Aber trotz der Achtung, die leicht Jedem ge¬ zollt wird, der einen gut gefüllten Geld¬ beutel hat, ging man dem Wendelbauern sichtlich aus dem Wege. Der Boden fing an, ihm unter den Füßen zu brennen 45 im das äußerst beschränkte Unterkommen zu Schulhause begann ganz unerträglich ich werden. Eine andere Wohnung fand ür den Augenblick gar nicht. Es überraschte deshalb Anne=Marei nicht, als er mit dem Vorschlag heraus¬ rückte, er wolle Aecker und Wiesen ver¬ kaufen und sich anderswo, fern von dem bösartigen Volke hier, nach einem kleinen Grundbesitze umschauen. Anne=Marei besaß keinen Unterneh¬ mungsgeist, sie sehnte sich auch nicht darnach, auszuprobiren, ob man in einer ganz wildfremden Umgebung wenigen unglücklich leben könnte. Aber sie war einmal seine Frau und als solche durfte sie ihn nicht allein ziehen lassen, beson¬ ders jetzt, wo ihn ein Jeder über die Achsel ansah. Darum gab sie ihre Einwilligung mit einer Art gleichgiltiger Ergebenheit in das Unabänderliche. Sie ging wie im Traume umher; mit der neuerwachten Lebenskraft war's wieder zu Ende ie konnte sich ja nicht einmal durch Arbeit mit dem Leben zurecht finden; der Brand hatte ihr diese Möglichkeit fortgenommen. Jeden Tag sitzt sie draußen auf Wende¬ lin's Grab. Im Dorfe schüttelt man der Kopf und munkelt, mit der Sonnen¬ wirthstochter werde es noch ein Ende nehmen, wie mit der Ahne; die werde auch einmal tiefsinnig. Wenn sie nicht gar so tief in ihre eigenen Gedanken versunken gewesen wäre, müßte sie wahr¬ nehmen, daß Nazi recht curios ist, seit ein paar Tagen. Jeden Morgen geht er zur Stadt, kommt aber früh wieder heim So lange er sich zu Hause aufhält schließt er immer die Thüre zu und stellt allerlei Fragen an Anne=Marei: ob Nie¬ mand dagewesen u. s. w. Sein Weib lacht bitter auf und meint: „Von uns will Niemand etwas wissen.“ Eines Nachmittags kam er erhitzt einhergelaufen und erklärte, in drei Ta¬ gen müsse Alles gepackt sein, die paar Aecker, welche noch loszuschlagen seien gebe er dem Schultheißen in Auftrag.
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